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Die meisten der von den katholischen Bischöfen abgegebenen Gutachten nehmen für
den Bischof ein größeres Recht in Anspruch, als ihm nach dem Entwurf gewährt werde.
Das Recht der Kirche reiche weiter; was der Entwurf bewillige, erscheine nur wie eine Gnade.
Die Begründung der weitergehenden Ansprüche wird aus dem kanonischen Recht, den Tri—
dentiner Beschlüssen, dem Westphälischen Frieden und dem Reichs-Oeputations-Hauptschluß
pon 1803 versucht. Hiernach seien alle Schulsachen causa ecclesiastica. Die Lesebücher in
atholischen Anstalten zu bestimmen, sei Sache des Bischofs, ebenso die Ernennung der
Lehrer, auch an katholischen Gymnasien; zumal bei den Religionslehrern als seinen Ge—
yülfen komme ihm die Anstellung zu. An den höheren Anstalten seien am besten die Lehrer
aus dem geistlichen Stande zu nehmen. Die katholischen Seminarien seien ganz unter die
gaischöfliche Aufsicht zu stellen. Vom Bischof habe die Anstellung des Directors und sämmt—
icher Lehrer zu erfolgen. Er habe auch die Aufnahme der Alumnen zu verfügen. Die
yorbehaltene Genehmigung der Ministerial-Instanz sei unzulässig, da der Bischof für seine
Handlungen, welche er in seinem Ressort verrichte, der Bestätigung Seitens der weltlichen
Obrigkeit nicht bedürfe. Daß auch Nicht-Katholiken das katholische Schulwesen leiten könnten,
dagegen müsse Widerspruch erhoben werden.
Im Uebrigen wird bemerkt, daß Simultanschulen nicht einzurichten seien. Die katho—
ische Konfessionsschule dürfe nicht gehalten werden, Kinder anderer Konfession aufzunehmen.
Die innere Verschiedenheit, welche der Konfessionsunterschied in der Schule bedingt, erstrecke
sich nicht allein auf den Religionsunterricht, sondern reiche weiter. Was die religiöse Er—
bauung anlange, so habe das der Bischof allein zu ordnen. Die weltliche Behörde könne
Schulpredigten nicht anordnen. Vorschriften über Theilnahme an kirchlichen Katechisationen
zehören nicht in ein Schulgesetz. Küster anzustellen, sei Sache der Geistlichen. Es dürfen
hnen diese Kirchenbeamten in der Person von Lehrern nicht aufgedrungen werden.
Die Forderungen an Landschulen seien zu hoch; Latein in der Stadtschule, Griechisch
und angewandte Mathematik für Gymnasium sei nicht unbedingt zu fordern. Vier Stun—
den Gymnasial-Unterricht täglich genͤge. Im Seminar reiche ein einjähriger Kursus hin.
Die Einsicht der Akten läßt die Ueberzeugung aufkommen, daß, auch wohl in Folge
inzwischen veränderter Zeitverhältnisse und Auffassungen, der Glaube, das Gesetz sei nützlich
und durchzuführen möglich, allmählich schwankend geworden sei. Zur diesfälligen Beurthei⸗
ung muß der unter dem 11. Februar 1823 von dem Staats-Minister Freiherrn von Alten—
stein Allerhöchsten Orts erstattete Immediatbericht als werthvoll erachtet werden. Der—
selbe lautet:
Ew. Königliche Majestät haben, durch die Zeitungsberichte einiger Regierungen, und
oorzüglich der Regierung in Trier, veranlaßt, mich an die Förderung der allgemeinen Schul—
»rdnung zu erinnern geruht. Hierin liegt für mich die Aufforderung, uͤber den Gang,
welchen die fernere Bearbeitung des Entwurfs zu gedachtem Gesetze bisher genommen, und
die Lage, worin sie sich gegenwärtig befindet, Ew. Königliche Majestät allerunterthänigsten
Bericht zu erstatten, um Allerhöchstdenselben die Ueberzeugung zu gewähren, daß ich nicht
allein dieser Angelegenheit die größte Aufmerksamkeit widme, sondern sie auch mit der Vor—
sicht und Behutsamkeit behandle, welche ihre im ganzen Umfange von mir anerkannte Wichtig—
keit erfordert. J
Die von Ew. Königlichen Majestät zu Entwerfung einer allgemeinen Schulordnung
Allergnädigst niedergesetzte Kommission hatte in dem Berichte vom 27. Juni 1819, womü
sie den von ihr umgearbeiteten Entwurf Allerhöchstdenselben überreichte, auch den aller—
unterthänigsten Antrag gemacht, daß derselbe vor dem weiteren Verfahren noch einer näheren