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Sitzungen des Disziplinar-Senats sind öffentlich, und die Vertheidigung in beiden
Instanzen ist unverschränkt.
Der Beschränkung der akademischen Gerichtsbarkeit auf eigentliche akademische Disziplinar—
Vergehen zieht Halle die gänzliche Aufhebung der akademischen Gerichtsbarkeit vor.
Bonn überweist die Vergehen, welche bis zu 5 Tage Karzer bestraft werden, aus—
schließlich dem Universitätsrichter, schwerere — éxel. Entfernung von der Universität
— einer Disziplinar-Kommission des Senats, bestehend aus dem Prorektor, Richter und einem
A
In beiden Fällen findet Appellation an den Senat statt. Der Rektor darf auch den
Sitzungen der ersten Instanz, jedoch ohne mitzustimmen, beiwohnen, und präsidirt in der zweiten
Instanz. Verschärfung in der Appellations-Instanz ist zulässig.
Auf Entfernung aus der Universität erkennt nur der Senat mit 9 Geschwornen,
3 Ordinarien, 3 Extraordinarien oder Privatdozenten und 3 Studirende, welche 21 Jahr alt und
zwei volle Semester auf der Universität anwesend gewesen sein müssen. Appellation findet dann
nicht statt. Sowohl vor der Disziplinar-Kommission als vor dem Senat ist Vertheidigung zulässig.
In Civilsachen entscheidet in erster Instanz der Universitäts-Richter, in zweiter,
wenn das Objekt 20 Rthlr. übersteigt, die Civil-Kommission des Senats, bestehend aus dem
Dekan der Juristenfakultät und zwei Senatoren, deren einer Jurist sein muß. Der Rektor aus—
füultirt in beiden Instanzen und votirt mit, wenn in der Kommission eine positive Stimmen—
mehrheit nicht zu erzielen ist; er soll dann den Ausschlag geben.
III. Ernennungen und Berufungen.
1. Hinsichtlich des Verfahrens bei Ernennungen und Berufungen von akademischen Lehrern
schließt sich dem bestehenden Zustande am meisten an der Vorschlag der Universität zu Berlin.
Danach soll, außer dem Gutachten der betreffenden Fakultät, auch das des Senats gehört
werden, indem das moralische Gewicht einer nothwendigen Konkurrenz der Universität bei jeder
neuen Ernennung ꝛc. die Gesammtheit der Korporation tangire. Weichen die Gutachten der Fakul—
täten von denen des Senats ab, so soll eine mündliche Berathung zwischen dem Senat und einer
Kommission der betreffenden Fakultät stattfinden.
2. Die Universität Halle nimmt ebenfalls nur das Recht eines nicht unbedingt maß—
gebenden Gutachtens für die Fakultäten in Anspruch, wünscht aber, unbeschadet der Verantwort—
ichkeit des Ministers, eine besondere, möglichst unabhängige Behörde für den öffentlichen Unterricht,
ihnlich dem conseil de l'instruction publique in Frankreich. Dies sei nothwendig als Bürgschaft
dafür, daß der Minister nicht als Ausdruck einer ephemeren Kammer-Majorität, um augenblicklichen
parlamentarischen Interessen zu dienen, die bleibenden Interessen des öffentlichen Unterrichts gefährde.
Diese Behörde habe ebenfalls bei jeder neuen Ernennung ꝛc. ihr Gutachten abzugeben. Gegen ihr
und der betreffenden Fakultät übereinstimmendes Gutachten dürfe eine Ernennung nicht erfolgen.
Die Zahl der Ordinarien sei nach dem wissenschaftlichen Bedürfniß festzustellen, doch auch über diese
Zahl hinaus eine Unterstützung älterer Nominal-Professoren durch jüngere Kräfte zulässig. Die Zahl
»er Extraordinarien möge unbeschränkt bleiben, jedoch sei auch hier die Fakultät und die obengedachte
Behörde gutachtlich zu vernehmen.
3. Die Universität Königsberg schlägt vor, außer der betreffenden Fakultät, resp. dem
General-Konzil, auch noch, falls der Minister diesen Gutachten nicht beistimmen zu können vermeine,
das Gutachten der gleichnamigen Fakultät einer andern, selbst ausländischen Universität einzuholen.
In gleicher Weise sei bei Besörderung von Ertraordinarien zu Ordinarien zu verfahren.
4. Die Universitäten Bonn, Breslau und Münster wollen künftig den Faklultäten ein
negativ maßgebendes Votum bei Berufungen ꝛc. zugestanden wissen, so daß Jemand, gegen
den die Fakultät sich ausgesprochen, n icht berufen werden dürfe. Breslau will aber doch dem Mi—
nister die selbständige Errichtung neuer Professuren für bisher noch nicht vertreten gewesene Diszi—
olinen, unabhängig von einem Gutachten der Fakultäten, vindiziren.
5. Nach dem Vorschlage der Universität Greifswald präsentirt die betreffende Fakultät
unter gleichzeitiger Benachrichtigung des General-Konzils, dem Minister 3 Kandidaten. Wird von
diesen keiner besftätigt, so wird von Neuem präsentirt, und müssen dabei mindestens zwei neue
Kandidaten genannt werden. Der Minister ist dann verpflichtet, einen der Präsentirten zu wählen,
soll jedoch auch befugt sein, die Fakultät nach der ersten abgelehnten Präsentation auf einzelne In—
dividuen aufmerksam zu machen.