188
In dem Art. 26 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar d. J. ist der Erlaß eines,
das ganze Unterrichtswesen regelnden Gesetzes vorgesehen worden. IJ
Die wesentlichen Veränderungen, welche einige der wichtigsten seitherigen Grundlagen
des Unterrichtswesens in der Preußischen Monarchie in Folge der neuen Staatsformen und
durch die Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde erfahren haben, machen es wünschens—
werth, daß schon den demnächst zusammentretenden Kammern dieses Gesetz zur verfassungs—
mäßigen Beschlußnahme vorgelegt werde.
Die diesfälligen Vorbereitungen zu treffen, liegt ressortmäßig mir ob, und habe ich
zu dem Ende das erforderliche Material und die wünschenswerthe, aus dem unmittelbar
praktischen Leben zu gewinnende Information theils durch Berathung erfahrener Schul—
männer der verschiedenen Kategorien, theils durch in Empfang genommene Gutachten ein—
zelner Personen, theils durch die von mir erforderten Berichte der dem Unterrichtswesen
vorgesetzten Provinzial-Behörden zu sammeln und zu beschaffen gesucht.
Auf Grund der hierauf in dem mir anvertrauten Ministerium stattgefundenen Be—
rathung ist ein vorläufiger Entwurf angefertigt worden, der nunmehr dem Königlichen Staats-—
Ministerium zur Beschlußnahme vorgelegt und für den sodann die Allerhöchste Genehmigung
Seiner Majestät des Königs erbeten werden wird.
Ich habe es jedoch für angemessen gehalten, vor dieser Berathung und der Nach—
suchung der Allerhöchsten Sanktion den kirchlichen Obern und Behörden von den Bestim—
mungen des Entwurfs Kenntniß zu geben, und glaube damit ebensowohl deren eigenen
Wünschen entgegengekommen zu sein, als es mir angenehm sein wird, noch vor der schließ—
sichen Berathung in dem Königlichen Staatsministerium deren Ansichten über die Bestim—
nungen des Entwurfs in kirchlich-religiöser Beziehung entgegennehmen zu können.
Wenn es sich gleich von selbst versteht, daß nach Lage der Gesetzgebung den kirch—
lichen Obern und Behörden bei Berathung und Beschlußnahme über das in Rede stehende
Gesetz kein Anspruch auf unmittelbare Betheiligung und Einwirkung zusteht, so werden doch
Ew. ꝛc. aus dem Angeführten gefälligst entnehmen, welchen Werth ich darauf lege, daß in
der wichtigen Angelegenheit des Unterrichtswesens und namentlich bei der in Rede stehenden
Emanation eines dasselbe regelnden Gesetzes Staat und Kirche Hand in Hand gehen mögen,
and wie gern ich bereit bin, den Wünschen der kirchlichen Behörden entgegenzukommen,
oweit deren Erfüllung mit den unveräußerlichen Rechten des Staats und mit den Interessen
des Unterrichtswesens selbst vereinbar ist.
Bei Abfassung des Gesetzentwurfs im Allgemeinen müßte von folgenden unabänder—
ichen Voraussetzungen ausgegangen werden:
Seitdem in der Preußischen Monarchie das Unterrichtswesen als ein Ganzes Gegen—
tand der Organisation geworden, ist die letztere stetts und ohne Ausnahme Aufgabe der
taatlichen Gesetzgebung gewesen. Nicht nur die Principia regulativa für Ostpreußen vom
Jahr 1736, das General-Vand-Schul-Reglement von 1763, der Titel 12. Th. II. des Allgem.
Landrechts und die Schulordnung von 1845 für die Provinz Preußen, sondern auch die
ediglich das katholische Schulwesen in der Provinz Schlesien betreffenden Reglements von
1765, 1800 und 1801 geben hierfür Zeugniß.
In richtiger Auffassung des der Kirche und ihren Organen auf die Gesammterziehung
und Bildung des Volkes innewohnenden und gebührenden Einflusses ist der letztere in mehr
oder minderem Maße durch die Preußische Schulgesetzgebung immer gewahrt und aufrecht
erhalten worden; es ist dieser Einfluß aber stets durch einen Akt der Gesetzgebung anerkannt
und normirt, der Kirche überhaupt auf dem Gebiete des Unterrichts, soweit derselbe zugleich
staatlichen Zwecken dient, keine legislative Befugniß zugestanden worden.
Wenn, abgesehen von dem religiösen Unterricht in der Volksschule, dessen Leitung
den Religionsgesellschaften durch den Art. 24 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar d. J.
zugetheilt worden ist, die letztere die bisher schon immer vom Staate zum Unterrichtswesen
eingenommene selbständige Stellung als eine grundgesetzliche und verfassungsmäßig nicht