Full text: Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preußen

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In dem Art. 26 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar d. J. ist der Erlaß eines, 
das ganze Unterrichtswesen regelnden Gesetzes vorgesehen worden. IJ 
Die wesentlichen Veränderungen, welche einige der wichtigsten seitherigen Grundlagen 
des Unterrichtswesens in der Preußischen Monarchie in Folge der neuen Staatsformen und 
durch die Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde erfahren haben, machen es wünschens— 
werth, daß schon den demnächst zusammentretenden Kammern dieses Gesetz zur verfassungs— 
mäßigen Beschlußnahme vorgelegt werde. 
Die diesfälligen Vorbereitungen zu treffen, liegt ressortmäßig mir ob, und habe ich 
zu dem Ende das erforderliche Material und die wünschenswerthe, aus dem unmittelbar 
praktischen Leben zu gewinnende Information theils durch Berathung erfahrener Schul— 
männer der verschiedenen Kategorien, theils durch in Empfang genommene Gutachten ein— 
zelner Personen, theils durch die von mir erforderten Berichte der dem Unterrichtswesen 
vorgesetzten Provinzial-Behörden zu sammeln und zu beschaffen gesucht. 
Auf Grund der hierauf in dem mir anvertrauten Ministerium stattgefundenen Be— 
rathung ist ein vorläufiger Entwurf angefertigt worden, der nunmehr dem Königlichen Staats-— 
Ministerium zur Beschlußnahme vorgelegt und für den sodann die Allerhöchste Genehmigung 
Seiner Majestät des Königs erbeten werden wird. 
Ich habe es jedoch für angemessen gehalten, vor dieser Berathung und der Nach— 
suchung der Allerhöchsten Sanktion den kirchlichen Obern und Behörden von den Bestim— 
mungen des Entwurfs Kenntniß zu geben, und glaube damit ebensowohl deren eigenen 
Wünschen entgegengekommen zu sein, als es mir angenehm sein wird, noch vor der schließ— 
sichen Berathung in dem Königlichen Staatsministerium deren Ansichten über die Bestim— 
nungen des Entwurfs in kirchlich-religiöser Beziehung entgegennehmen zu können. 
Wenn es sich gleich von selbst versteht, daß nach Lage der Gesetzgebung den kirch— 
lichen Obern und Behörden bei Berathung und Beschlußnahme über das in Rede stehende 
Gesetz kein Anspruch auf unmittelbare Betheiligung und Einwirkung zusteht, so werden doch 
Ew. ꝛc. aus dem Angeführten gefälligst entnehmen, welchen Werth ich darauf lege, daß in 
der wichtigen Angelegenheit des Unterrichtswesens und namentlich bei der in Rede stehenden 
Emanation eines dasselbe regelnden Gesetzes Staat und Kirche Hand in Hand gehen mögen, 
and wie gern ich bereit bin, den Wünschen der kirchlichen Behörden entgegenzukommen, 
oweit deren Erfüllung mit den unveräußerlichen Rechten des Staats und mit den Interessen 
des Unterrichtswesens selbst vereinbar ist. 
Bei Abfassung des Gesetzentwurfs im Allgemeinen müßte von folgenden unabänder— 
ichen Voraussetzungen ausgegangen werden: 
Seitdem in der Preußischen Monarchie das Unterrichtswesen als ein Ganzes Gegen— 
tand der Organisation geworden, ist die letztere stetts und ohne Ausnahme Aufgabe der 
taatlichen Gesetzgebung gewesen. Nicht nur die Principia regulativa für Ostpreußen vom 
Jahr 1736, das General-Vand-Schul-Reglement von 1763, der Titel 12. Th. II. des Allgem. 
Landrechts und die Schulordnung von 1845 für die Provinz Preußen, sondern auch die 
ediglich das katholische Schulwesen in der Provinz Schlesien betreffenden Reglements von 
1765, 1800 und 1801 geben hierfür Zeugniß. 
In richtiger Auffassung des der Kirche und ihren Organen auf die Gesammterziehung 
und Bildung des Volkes innewohnenden und gebührenden Einflusses ist der letztere in mehr 
oder minderem Maße durch die Preußische Schulgesetzgebung immer gewahrt und aufrecht 
erhalten worden; es ist dieser Einfluß aber stets durch einen Akt der Gesetzgebung anerkannt 
und normirt, der Kirche überhaupt auf dem Gebiete des Unterrichts, soweit derselbe zugleich 
staatlichen Zwecken dient, keine legislative Befugniß zugestanden worden. 
Wenn, abgesehen von dem religiösen Unterricht in der Volksschule, dessen Leitung 
den Religionsgesellschaften durch den Art. 24 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar d. J. 
zugetheilt worden ist, die letztere die bisher schon immer vom Staate zum Unterrichtswesen 
eingenommene selbständige Stellung als eine grundgesetzliche und verfassungsmäßig nicht
	        
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