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mehr aufzugebende erklärt hat; so konnte dieser Standpunkt natürlich bei Entwerfung des
neuen Unterrichtsgesetzes in Bezug auf Form und Wesen nicht verlassen werden. Eine nä—
here Prüfung des Entwurfs wird aber in letzterer Beziehung zweierlei ergeben. Einmal,
daß der der Kirche als solcher seither auf die Schule zugestandene Einfluß nirgend verkürzt
oder verringert, sondern in sehr wesentlichen Punkten verstärkt und vermehrt, in allen Fällen
aber, wo er bisher aber nur faktisch und hergebrachterweise ausgeübt oder nachgelassen war,
nunmehr gesetzlich sanktionirt worden ist. Sodann aber, und hierauf möchte ich Ew. ꝛc. gefäl—
lige Aufmerksamkeit besonders lenken, bin ich von der Ueberzeugung ausgegangen, daß das
neue Unterrichtsgesetz, namentlich auch mit Rücksicht auf die bevorstehende parlamentarische
Berathung desselben, unter allen Umständen nicht der Ort sein dürfe, um vom Standpunkte
der Kirche oder des Staats, oder vom Standpunkt beider aus dogmatische und staatsrecht⸗
liche Prinzipienfragen auf- und gegen einander überzustellen, ohne daß irgendwelche Aus—
sicht vorhanden sein kann, über dasjenige auf dem Felde der Doktrin und Theorie eine
Einigung zu erzielen, was auf dem Gebiete der konkreten Ausführung von beiden Gewalten,
sobald jeder der ihr zustehende Wirkungskreis geöffnet ist, Hand in Hand zum Ziele geführt
werden wird. Wie in dieser Beziehung es vermieden worden ist, in dem Entwurf ein
staatsrechtliches Axiom oder Prinzip in abstrakter Weise aufzustellen, vielmehr ohne Anregung
edes Prinzipienstreites nur zur konkreten Anwendung geeignete Bestimmungen getroffen
worden sind, so werde ich mich, wie ich ergebenst und ausdrücklich zu erklären mich veran—
laßt sehe, auch nicht dazu entschließen können, in Betreff kirchenrechtlicher Prinzivien und
Axiome von diesem Grundsatz abzuweichen.
Durch die in dem Gesetz festgestellte und überall konsequent anerkannte Einheit der
Volksschule in ihren Beziehungen zu Staat und Kirche ist, wie, um allenfalls mögliche
Weiterungen zu vermeiden, hervorzuheben nicht überflüssig sein dürfte, die hier und da ver—
juchte Auffassung: „es begreife der Artikel 150 der Verfassungs-Urkunde unter den für die
„Zwecke der Kirche bestimmten Unterrichts-Anstalten auch die Volksschulen, und es sei im
„Art. 18 mit der Aufhebung des dem Staate zustehenden Ernennungsrechts bei Besetzung
kirchlicher Stellen auch dieses Recht in Bezug auf die Volksschulen aufgehoben“, als
eine irrthümliche unbedingt ausgeschlofsen. In letzterer Beziehung kann nur von den mit
Schulämtern verbundenen kirchlichen Aemtern die Rede sein, über welche letztere der Ent—
vurf den kirchlichen Behörden das alleinige Besetzungs-, respektive Bestätigungsrecht ein—
räumt; in ersterer Beziehung versteht aber die Verfassungs-Urkunde nur die ausschließlich
für kirchliche Zwecke bestimmten Unterrichts-Anstalten, und über diese hatte das Unterrichts—
Gesetz nicht zu disponiren.
Zu einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs bemerke ich ergebenst Folgendes:
Was die Schul-Inspektoren betrifft, denen die Aufsicht über das Volksschulwesen in
größeren Kreisen übertragen werden soll, so ist deren Ernennung durch den Art. 23 der
Verfassungs-Urkunde dem Staate übertragen worden. Hieraus ergab sich die Nothwendigkeit
einer Bestimmung dahin, daß die Schul-Inspektion nicht mehr, wie es seither in manchen
Distrikten üblich und gesetzlich, als ein Accidenz des geistlichen Ephoralamtes angesehen
werden müsse, für welches der Regierung auf die Auswahl der betreffenden Personen nicht
der mindeste Einfluß zusteht. Es ist deshalb in dem Gesetzentwurf der Staatsbehörde freie
Hand gelassen worden, nach Maßgabe der in den landräthlichen Kreisen vorhandenen Be—
zirkseintheilung geeignete Organe für die Schulaufsicht zu bestellen (F. 67 u. folg.). Eine
Betheiligung der kirchlichen Behörden bei Auswahl und Ernennung dieser durch die Ver—
fassungs-Urkunde als Staatsbeamte ausdrücklich bezeichneten Schul-Inspektoren könnte durch
das Gesetz nicht ausgesprochen werden. Das Interesse der Kirche an der Ouaglifikation und
Richtung dieser Beamten ist aber zunächst schon dadurch gewahrt, daß bei Einrichtung der
Schul-Inspektionen die konfessionellen Verhältnisse der Volksschulen berücksichtigt werden
sollen (F. 67). Sodann muß nach der ganzen Anlage des Gesetzes der Wunsch der Staats—
Verwaltung als stets vorhanden porausgeseßzt werden, daß auch die Aufsicht über die von