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Bevorwortung, daß sie im Vertrauen auf die Einigkeit und den Frieden zwischen Staat
und Kirche und nur in der Voraussetzung des Fortbestehens desselben normirt worden sind,
sowohl dem Königlichen Staatsministerium und demnächst zur Allerhöchsten Sanktion Seiner
Majestät des Königs, als auch den Kammern zur Annahme dringend zu empfehlen.
Ew. ꝛc. eignen Einficht und Erfahrung kann es nicht entgehen, daß in dieser Zeit,
wo Staat und Kirche den gemeinsamen Kampf gegen die zerstörenden Elemente einer gott—
und rechtlosen mächtigen Richtung zu führen und die in ihren Festen erschütterte Gesellschaft
zu stützen berufen sind, ein Streit unter sich um nominelle Rechte nur beide schwächen und
den gemeinschaftlichen Feind stärken könnte.
Die Staatsregierung wird den Tag willkommen heißen, wo sie die in dem Gesetz
ausgesprochenen Rechte in die Hand der Kirche legen kann, in der wohlbegründeten Zuver—
sicht, daß in unserem Vaterlande Regierung und Kirche in der selbstverleugnenden Ausübung
hrer beiderseitigen Pflichten die unseligen Konflikte vermeiden werden, welche die in anderen
Gesetzgebungen versuchte abstrakte Abgrenzung der beiderseitigen Rechte hervorzurufen stets
aur zu geeignet gewesen ist.
Wie ich hiermit offen und rückhaltlos Ew. ꝛc. den Standpunkt dargelegt habe, den
nach meiner Ueberzeugung die Regierung Sr. Majestät des Königs in der weiteren Be—
zandlung dieser Angelegenheit wird nehmen müssen, so werde ich mit gleicher Gewissen—
haftigkeil die mir von Ew. ꝛc. zu machenden Vorschläge erörtern und etwaige Wünsche mög—
lichst berücksichtigen.
Behufs der Prüfung des Entwurfs lege ich drei Exemplare desselben nebst ebenso
pielen Abschriften dieses Erlasses bei, und bemerke ergebenst, daß die Berathung des Ent—
wurfs in dem Königlichen Staatsministerium zur Beseitigung jeder Verzögerung in der
Vorlegung des Entwurfs an die Kammern und mit Rücksicht auf die Vermeidung von Kol⸗
lisionen mit anderen in dem Königlichen Staatsministerium zu erledigenden, dringenden
Aufgaben in der ersten Hälfte des November beginnen muß, weshalb ich Ew. ꝛc. gefälliger
Aeußerung sobald als irgend thunlich entgegensehen möchte.
Sollten Ew. ꝛc. etwa noch vorhandene Bedenken im Wege der persönlichen Erörterung
leichter beseitigt zu sehen glauben, so bin ich auf diesfällige Mittheilung gern bereit, soweit
es irgend die Verhältnisse gestatten, kommissarische Verhandlungen eintreten zu lassen.
Der Entwurf selbst aber, als ein vorläufiger, ist nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt.
Ich ersuche daher Ew. ꝛc. ergebenst, die Ew. ꝛc. erforderlich scheinende Prüfung des—
selben in einer Art gefälligst stattfinden zu lassen, daß sein Inhalt nicht in irgend einer
Weise zur Kenntniß von Unberufenen gelangt, und jedenfalls Besprechungen desselben in
zffentlichen Blättern vermieden werden.
Dem Evangelischen Ober-Kirchenrath wurde mit einer Abschrift dieses an die katho—
ischen Bischöfe gerichteten Schreibens der Entwurf des Unterrichtsgesetzes ebenfalls zur
Prüfung mitgetheilt. In dem Anschreiben ist bemerkt, wie der Entwurf und der ihn be—
gleitende Erlaß ein thatsächlicher Beweis dafür sein dürfte, mit welchem Vertrauen die
Staatsregierung bei der neuen Organisation des Unterrichtswesens der evangelischen Kirche
dadurch entgegenzukommen wünsche, daß sie zwischen ihr und der katholischen Kirche voll—
ständige Parität herrschen und somit die evangelische Kirche auf dem Gebiet des Unterrichts—
wesens in den Genuß von Rechten treten lasse, zu deren Ausübung sie bisher noch nicht
gelangt sei. Zugleich wurde in Aussficht gestellt, daß, nachdem der Entwurf im Staats—
ministerium berathen und von des Königs Majestät sanktionirt sein würde, sich noch Ge—
legenheit bieten dürfte, über denselben auch noch die Provinzial-Synoden von Rheinland
und Westphalen zu hören.