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Die erforderten Gutachten der kirchlichen Behörden waren noch nicht alle eingegangen,
also eine Berathung der von dieser Seite erhobenen Bedenken noch nicht eingetreten, als
der Staatsminister von Ladenberg gegen Ende des Jahres 18850 sein Amt niederlegte. Sein
Nachfolger, der Staatsminister von Raumer, beabsichtigte zunächst nicht, der Sache weitere
Folge zu geben. Als deswegen die Angelegenheit in dem Herrenhaus zur Diskussion kam,
gab der frühere Staatsminister von Ladenberg, als Mitglied dieses Hauses, in der Sitzung
vom 7. Mai 1851 die folgende Erklärung ab, welche seine Stellung zu der Frage, nicht
minder aber diese selbst klarer machen dürfte:
„In der Zeit meiner Verwaltung des Unterrichts-Ministeriums lag nur die Bestim—
mung der Verfassungs-Urkunde vor, ein Unterrichtsgesetz ins Leben treten zu lassen. Die
Erfüllung dieser Aufgabe war meine Pflicht; ich habe Alles gethan, was moͤglich war, um
die Materialien herbeizuschaffen, und habe Jeden reden lassen, wer Beruf und Kenntniß
dazu hatte. Ueber diese Materialien habe ich mich mit den erleuchteten Mitgliedern des
Ministeriums berathen, was am meisten dem Lande frommen werde in Bezug auf das
Anterrichtsgesetz, aus dem die Blüthe des Volkes und die Zukunft des Landes hervorgeht.
Diese Berathungen waren so weit gediehen, daß ich mich bereit fühlte, am Sdlusse
der vorjährigen Sitzungsperiode zu erklären, daß das Unterrichtsgesetz im Laufe dieser
Sitzungsperiode vorgelegt werden werde.
Ich habe dieselbe Erklärung wiederholt im Anfange der diesjährigen Sitzungsperiode,
und gewöhnt, mein Wort zu lösen, würde ich es gehalten haben. Schwierigkeiten der aller—
»edeutendsten Art sind mir allerdings entgegengetreten, und zwar hauptsächlich in Bezug auf
Staat und Kirche. Ich glaube, mich aber meinem Rechtsgefuͤhl nach bemuͤht zu haben, die
Schwierigkeiten so zu lösen, daß Jedem das Seine wurde. Ich habe es indessen für billig
zehalten, die Interessenten ebenfalls zu hören. Es war das Gesetz demnach noch nicht ge⸗
chlossen, und es kam noch auf die Erklärungen von Seiten der Kirchenbehörden an, den
etzten Entschluß zu fassen. Ich würde ihn gefaßt haben, wie ich es mit meiner Pflicht
ür vereinbar gehalten, und ich habe demgemäß erklären können, daß ich das Unterrichtsgesetz
im Laufe der jetzigen Sitzungs-Periode jedenfalls vorlegen würde, und so wäre es geschehen.
Meine Herren! Diese gewichtigen Fragen sind individueller Natur, und ich gebe zu, daß
das, was mir erschöpft genug und gerecht erschienen ist, Anderen nicht erschöpft und nicht
zerecht erscheinen kann. Ich hatte dafür mit meiner Verantwortlichkeit einzutreten, mein
Nachfolger wird es mit der seinen. Allein noch Eines habe ich zu erwähnen Es ist gesagt
vorden: in der Verfassungs-Urkunde sei nicht davon die Rede, daß den Lehrern ein vollig
ausreichendes Gehalt gegeben werden solle. Meine Herren! Bei meiner Mitwirkung bei der
Verfassungs-Urkunde hat mir kein anderer Gedanke vorgeschwebt, als den Lehrern eine solche
Einnahme zu gewähren, daß sie ihrem Stande gemäß auskommen können, damit sie ihren
Beruf freudig erfüllen. Das kann aber nur ein Lehrer, der auskömmlich besoldet ist. In diesem
Sinne habe ich die Verfassung verstanden; in diesem Sinne war der Entwurf des Unterrichts—
Gesetzes angelegt. Ich halte es für meine Pflicht, über diese meine Auslegung der Ver—
fassungs-Urkunde Auskunft zu geben, weil ich Mitarbeiter an derselben gewesen bin.“
Die Stellung des Staatsministers von Raumer zu der Frage über den Erlaß eines
Unterrichtsgesetzes hat derselbe ausführlicher in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten
vom 26. Februar 1852 dargelegt. Unter seinem Ministerium blieb die Angelegenheit ruhen.
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