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Die Bestimmung der Gymnasien ergiebt sich aus der Idee einer Geistesbildung, welche befä—
higt, an der Lösung der höchsten Aufgaben des Staats und der Kirche Theil zu nehmen. Die
Aufgabe, die männliche Jugend dazu vorzubereiten, ist in der historischen Entwickelung der Gymna—
sien stets festgehalten worden. Als ihr Hauptzweck muß demnach noch immer die Vorbereitung zum
elbständigen Studium der Wissenschaften auf der Universität angesehen werden.
Die früher ausschließliche Bestimmung der Gymnasien ist es jedoch jetzt nicht mehr. Die
Bildungsmittel derselben sind von der Art, daß sie zugleich im allgemeinen Sinn die wissenschaft—
lichen Grundlagen höherer Bildung gewähren.
Dieselbe Aufgabe theilen mit ihnen die Realschulen, jüngere Bildungsanstalten, deren gegen—
wärtig in Preußen 62 bestehen. Sie haben zugleich die besondere Bestimmung für praktische Berufs—
arten und technische Fachschulen vorzubereiten.
Ueber den Lehrplan, durch welchen das Bildungsziel in beiderlei Anstalten erreicht werden soll,
. 88. 128 und 129.
Daß die Gymnasialbildung nach ihrem mehr universellen Charakter auch ihrerseits zum Ueber—
zang auf technische Fachschulen befähigt, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
Der Begriff allgemeiner Bildung schließt neben dem wissenschaftlichen Element auch das reli—
ziöse und nationale ein.
Mit der intellektuellen Bildung ist die sittliche auf's innigste verknüpft. Die höheren Schulen
sollen nicht bloß Unterrichts-, sondern auch Erziehungs-Anstalten sein. Der gebrauchte Ausdruck
„Entwickelung der sittlichen Kraft“ schließt die Pflege des religiösen und patriotischen Sinnes der
Jugend in sich, da dieselbe als Bedingung der sittlichen Kraft angesehen werden muß, welcher an
ihrem Theil auch die körperliche Ausbildung durch den Turnunterricht dient.
Progymnasien sind unvollständige Gymnasien, höhere Bürgerschulen unvollständige Realschulen;
s. 8. 127.
Die Schullehrer-Seminarien, welche ebenfalls zu den höheren Lehranstalten gerechnet werden,
haben wegen ihrer ausschließlichen Beziehung auf die Bildung der Lehrer an Volksschulen unter
Nr. I (88. 105 ff.) ihre gesetzliche Regelung finden müssen.
Ueber die höheren Töchterschulen s. 88. 158 — 160.
Zu 8. 123. Der von der Praxis vorausgesetzte, aber in die Gesetzgebung noch nicht aufge—
nommene Begriff eines Schulpatronats bedarf der Feststellung. Die ihn wesentlich bestimmenden
Momente sins: die Pflicht zur Unterhaltung der betreffenden Schule und das Recht zur Besetzung
der Lehrer- und Beamtenstellen an derselben; s. zu 8. 125.
Staatsanstalten sind die ausschließlich landesherrlichen, ebenso die vom Staat übernommenen
und verwalteten Stiftungen.
Die größere Zahl der jetzt vorhandenen höheren Schulen steht unter dem Patronat städtischer
Kommunen soder anderer Korporationen, worunter auch die wenigen, auf Familienstiftungen beruhen—
den höheren Unterrichtsanstalten zu subsumiren sind.
Bei mehreren höheren Schulen entsteht dadurch, daß die Kosten ihrer Unterhaltung gemein—
schaftlich aus Staats- und Gemeinde-Fonds bestritten werden, ein gemischtes Patronat; s. 8. 151.
Bei einigen Gymnasien und Realschulen haben stiftungsmäßig die Kirchengemeinden Antheil
am Patronat.
Zu 8. 124. Entspricht der Bestimmung des Allgemeinen Landrechts Theil II Tit. 12 8. 54
und 55. — In Betreff der Kuratorien siehe zu 8. 125.
Zu 8. 125. Das Interesse des Staats an einer zweckmäßigen Erziehung der Jugend giebt
hm Pfliicht und Recht für die öffentlichen Schulen das Lehrziel zu bestimmen und ihre pädagogische
Wirksamkeit zu regeln und zu überwachen.
Die Ordnung und Verwaltung der äußeren Angelegenheiten gehört vorzugsweise zur Kom—
petenz des Patronals. An vielen städtischen Anstalten werden die Patronatsrechte unmittelbar vom
Magistrat wahrgenommen; an anderen, sowie auch an vielen Schulen gemischten Patronats. werden
sie durch ein besonderes Kuratorium ausgeübt; s. 8. 124.
Wiewohl festzuhalten ist, daß für die inneren Angelegenheiten der Schule die Autorität der
Staatsregierung entscheidend bleibt, so war es doch nicht die Absicht, eine Betheiligung der Korpo⸗
rationen oder der Kommunen dabei durch das Gesetz völlig auszuschließen. Mehrere Kuratorien
städtischer Schulen haben außer dem Recht, über die Mittel der Anstalt innerhalb der Grenzen des
Ftats zu disponiren, und außer der Kassenverwaltung, nicht nur das wichtige Wahlrecht für die
Direktor-, die Lehrer- und die Beamtenstellen, sondern sie nehmen auch Kenntniß von dem Lektions—
plan, von der Handhabung der Disziplin und dem gesammten Zustande der Schule. Ebenso haben