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ungs-Urkunde aufzuheben, welcher dahin lautet: In der öffentlichen Volksschule wird der
Unterricht unentgeltlich ertheilt.
Die Verfassungs-Urkunde geht davon aus, daß kein Schulgeld entrichtet werden soll,
daß vielmehr die direkten Beiträge der Kommunen und in subsidio des Staates den Un—
terhalt der Schulen liefern sollen. Dasselbe Prinzip findet sich im Wesentlichen bereits im
allgemeinen Landrecht. Dessenungeachtet ist in dem langen Zeitraum, der von der Emana—
tion des allgemeinen Landrechts bis auf den heutigen Tag verstrichen ist, die Aufhebung
des Schulgeldes nur an wenigen Orten, wo besondere Verhältnisse es möglich machten oder
erleichterten, zur Ausführung gekommen. In der bei Weitem größten Mehrzahl aller Kom—
munen und aller Schulorte hat man die Erhebung des Schulgeldes für eine Nothwendig—
eit erachtet, über die man nicht hinwegkommen kann.
Das Urtheil aller Sachverständigen, Behörden und Schulmänner lautete wesentlich
übereinstimmend dahin, daß der Artikel der Verfassungs-Urkunde, den ich eben verlesen habe,
in seiner obligatorischen Gestalt nicht aufrecht erhalten werden könne, sondern daß die Frei—
heit, Schulgeld zu fordern und zu erheben, gewahrt werden müsse. — In dem früheren
Gesetz-Entwurf war dieser Punkt stillschweigend übergangen. Man hatte geglaubt, dadurch,
daß man von dem Schulgelde in dem Gesetz-Entwurf über die Dotation der Schulen nicht
rede, mit Hülfe des Art. 112 die Aufhebung dieses Paragraphen gänzlich zu vermeiden.
Diese Auffassung ist aber bereits bei den Vorberathungen der Kommission des andern Hau—
ies als eine nicht richtige angesehen worden, und die Staats-Regierung hat sich davon uͤber—
jeugt, daß, wenn sie sichere Schritte auf diesem Gebiet thun wolle, eine Vorlage und aus—
drückliche Beschlußnahme der kompetenten legislativen Gewalten über diesen Punkt noth—
wendig sei.
In Beziehung auf das praktische Bedürfniß erlaube ich mir nur noch ganz in der
Kürze ein Moment hervorzuheben. Die Summe des Schulgeldes, welches gegenwärtig
erhoben wird, beläuft sich in der ganzen Monarchie auf nahezu 3,000,000 Thaler jährlich.
Es ist das eine Summe, welche das Schulwesen nicht entbehren kann, ohne daß sein Be—
tand aufgeopfert werden müßte. Eben so wenig aber befindet sich die Regierung und das
Land in der Lage, den Ausfall dieses Schulgeldes auf irgend eine andere Weise ersetzen
zu können. Daher die gebieterische Nothwendigkeit, den Fortbestand des Schulgeldes gesetz—
ich möglich zu machen.
Der dritte Gesetzentwurf hat zum Gegenstande die Pensionirung und Pensionsberech—
igung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen. Auch dieser Gesetz—
entwurf ist wesentlich in der Gestalt, in der er hier vorliegt, bereits in dem vorigen Land—
age zur Kenntniß der legislativen Faktoren gelangt, und bei der Vorberathung in dem
anderen Hause und in den eingegangenen Petitionen sind gegen diesen Punkt verhältniß—
mäßig die wenigsten Einwendungen erhoben worden. Nur eine davon hat von der Regie—
rung als entschieden begründet anerkannt werden müssen, nämlich die, daß Beiträge zur
Pensionskasse von Seiten der Lehrer selbst ferner nicht mehr erhoben werden dürfen, nach—
dem auf den anderen Gebieten der öffentlichen Verwaltung die Erhebung von Pensions—
Beiträgen allgemein weggefallen ist. Außerdem ist in dem Gesetzentwurfe auch noch aus—
drücklich ausgesprochen worden, was die frühere Vorlage ebenfalls beabsichtigt hatte, daß
nämlich in dem Regierungsbezirke Wiesbaden, wo für die Pensionirung der Lehrer andere
und günstigere Bedingungen bereits bestehen, als diejenigen, welche die jetzige Vorlage
hnen hat bieten können, es bei dem dort bestehenden, für den Lehrerstand günstigeren Ver—
yältnisse verbleiben solle; wie es denn auch für diejenigen Orte, namentlich die größeren
Städte, wo mit anerkennenswerther Bereitwilligkeit von Seiten der städtischen Kommunen
dem Lehrerstande für den Pensionirungsfall bessere und auskömmlichere Bedingungen gestellt
sind, es nach dem Gesetzentwurf ausdrücklich bei den dort bestehenden günstigeren Verhält—
nifsen verbleiben solle. Die Summe dessen, was man allgemein dem Lehrerstande bieten
zu können geglaubt hat, besteht darin, daß die Summe von 120 Thalern als das Minimum