Full text: Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preußen

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bon der einen Seite mißlich, und erscheint von der andern als nur persönliche Begünstigung. 
Solche mehr oder minder willkührliche Ausnahmen einzelner Individuen, haben bei weitem 
mehr gegen sich, als eine gesetzliche Modification der allgemeinen Verpflichtung für einen 
ganzen Stand, welche nicht auf irgend einige äußere Ansprüche, sondern auf die Wichtigkeit 
dieses Standes für die allgemeine Bildung gegründet, und nicht um seiner Erleichterung, 
sondern um des Ganzen Willen, beschlossen ist. 
Die im Entwurf vorgeschlagene Modification, durch welche die Verpflichtung, im stehen—⸗ 
den Heere zu dienen, für die Präparanden in Seminarien für untere Schulen, und für die 
Schullehrer überhaupt auf die Landwehr übertragen wird, scheint in Hinsicht auf die all— 
— VV— 
nicht im mindesten abkürzt. In Beziehung auf das Bedürfniß der Schulen und auf die 
Bildung des Lehrstandes ist sie befriedigend und es vereinigen sich in ihr die Vorschläge der 
Provinzial⸗Behörden. 
Was durch sie dem stehenden Heere entgeht, kann anicht bedeutend sein, und um so 
weniger in Betrachtung kommen, als ohnehin ein großer Theil der dienstfähigen jungen Mann— 
schaft jedes Jahr bei den jährlichen Einstellungen übrigbleibt. Ueberdem erstreckt sie sich nicht 
auf diejenigen, welche nach schon erreichtem dienstpflichtigen Alter, ohne in einem Seminario 
zebildet zu sein, zu einem untern Schulamte gelangen wollen, und von denen gefordert werden 
kann, daß sie vorher ihrer Dienstpflicht im stehenden Heere genügt haben müssen, so wenig 
als auf die Kandidaten zu Lehrstellen an gelehrten Schulen, die nämlich schon während ihres 
akademischen oder seminaristischen Cursus die erwähnte Pflicht erfüllen können, ohne ihre 
Studien deshalb unterbrechen zu dürfen, und überhaupt wegen ihrer höhern Bildung sich 
selbst fester auf der Bahn zu ihrer Bestimmung zu erhalten, im Stande sind. 
4. Den Bestimmungen des Entwurfs über das Verfahren gegen untaugliche Lehrer 
liegt im Allgemeinen die Absicht zum Grunde, welche am Schluß des 8. 83 in der Beilage II. 
zum Bericht ausgedrückt ist. 
Unter den dahin gehörigen besondern Gegenständen ist die Amts-Entsetzung der Lehrer 
wegen der in den 88. 79. 80 und 81 erwähnten, amtlichen und sittlichen Vergehungen der 
schwierigste, wie er denn auch das Justiz- und Geistliche Departement und die ehemalige Gesetz⸗ 
Kommission schon vor Jahren beschäftigt hat. 
Der Stand der Schullehrer muß in Ansehung des sittlichen und amtlichen Verhaltens 
einer Mitglieder betrachtet und behandelt werden, wie der Stand der Geistlichen. Von des 
dehrers amtlicher Treue und seinem würdigen Benehmen gegen Vorgesetzte, Gemeinde und 
Schüler hängt so vieles, hängt das ganze Gelingen des Zweckes der Schule ab. Sittliche 
Verfälschung seines Charakters verdirbt ihn für den wichtigsten Theil seines Berufs, ein auf 
einem Betragen haftender Fleck raubt ihm Achtung und Vertrauen bei Jung und Alt. Eine 
ehr ernste und strenge Disciplin des Lehrstandes ist daher um so nöthiger, als die Thätig— 
leit desselben ihrer Natur nach bei weitem mehr der Kontrolle des Gewissens als der äußern 
Aufsicht anheimfällt. 
Allein es ist von größter Wichtigkeit, daß bei dem disciplinarischen Verfahren sowohl 
die Behörden, die es ausüben, als auch der Lehrstand selbst vor der Gefahr, einerseits will— 
kührlich zu handeln, andererseits willkührlich behandelt zu werden, gesichert bleiben. Diese 
Sicherheit kann, so weit es menschlichen Einrichtungen möglich ist, nur eine juridische Be— 
handlung der Disciplinarfälle gewähren. Aber auch diese bedarf wieder eines Gegengewichts, 
indem sie, mehr nach Gründen des äußern Rechts und nach dem Buchstaben des Gesetzes 
richtend, oft schaͤrfer, mehrentheils aber gelinder zu sein pflegt, als die disciplinarische Rück⸗ 
sicht erfordert. Und dieses Gegengewicht kann nur in der Aufrechterhaltung der letztern, mehr 
auf's Innere gehenden, neben jener liegen. 
Es kömmt sonach alles darauf an, die disciplinarische Behandlung der sittlichen und
	        
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