Full text: Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preußen

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Des Königs Majestät hat eine besondere Kommission anzuordnen geruht, deren Auf— 
zabe war, eine allgemeine Schul-Ordnung zu entwerfen. Nachdem die Kommission ihre 
Arbeiten geschlossen und Seiner Majestät ihren Entwurf überreicht hat, ist davon ein Ab— 
druck veranstaltet, um als Manufkript den bei dieser Angelegenheit betheiligten Staats- und 
zeistlichen Behörden, wie auch andern erfahrenen Männern zum Gutachten mitgetheilt zu 
werden. 
Demzufolge beehre ich mich, Ew. ꝛc. ein Exemplar dieses Abdrucks nebst der dazu 
zehörigen näheren Erklärung ganz ergebenst zu übersenden. 
Die Theilnahme, welche Ew. ꝛc. in Ihrem bischöflichen Sprengel und überall der 
»ffentlichen Erziehung gewidmet haben, und die innige Verbindung, in welcher diese An— 
zelegenheit mit der Aufgabe der christlichen Kirche steht, lassen mich mit Zuversicht hoffen, 
daß Höchstdieselben geneigt sein werden, mit Beirath der erfahrensten und wohldenkendften 
Männer aus der Geistlichkeit den vorliegenden Entwurf in Beziehung auf das katholische 
Schulwesen zu prüfen, und mir Ihre gutachtliche Meinung über denselben mitzutheilen. 
Ich muß indeß um baldige Mittheilung derselben ersuchen, da des Königs Majestät 
Beschleunigung dieser Angelegenheit befohlen haben, und dieselbe noch im Laufe dieses Win— 
ters an den Staatsrath gebracht werden soll. Es würde mir deswegen lieb sein, bis zum 
l. Mai d. J. Ew. ꝛc. Gutachten erhalten zu können. 
Aus den von den Oberpräsidenten und Bischöfen zum Theil sehr verspätet abgegebenen 
Gutachten werden hier einzelne Bemerkungen mitgetheilt, welche das schließliche Resultat der 
langiährigen Arbeit wohl mit haben vorbereiten helfen. 
Wie viel auch durch den Entwurf der provinziellen Ausgestaltung anheimgegeben 
worden war, so lassen doch die Gutachten erkennen, daß seine Bestimmungen noch als zu 
peciell angesehen werden, um im Allgemeinen anwendbar zu sein. Daher werden Abkür— 
zungen gefordert. 
Der Geist des Gesetzes findet Anerkennung. Die Form leide aber an Unbestimmt— 
heit, und es fehle die Sprache des Gesetzes. 
Wie viel Treffliches der Entwurf in Ansehung der äußern Verfassung und der innern 
Einrichtung der Schule enthalte, so unterliege die Ausführung doch großen Schwierigkeiten. 
Ein Haupthinderniß dafür sei die Art und Weise, wie die Unlerhaltungsmittel für die Land— 
schulen aufgebracht werden sollen. 
Im Einzelnen finden die Commissionen mit mehr oder weniger Uebereinstimmung, 
selten in vereinzelter Anschauung, Folgendes zu bemerken. 
Es sei unrichtig, die drei Schulen, in welchen sich die allgemeine Bildung vollzieht, 
als Stufen zu bezeichnen, da thatsächlich Elementar⸗, Stadtschule und Gymnasium nicht 
aufeinander folgen und hintereinander absolvirt werden. Zweckmäßig sei eine Elementar— 
und Vorbereitungsklasse mit dem Gymnasium zu verbinden. Für die zweite Stufe sei der 
Name Mittelschule pafsender als Stadtschule, da diese Art von Schulen in einigen: Gegenden 
auch in Dörfern einzurichten seien. Die Unterstufe heiße richtiger Volksschule, weil sie nicht 
blos Elemente des Wissens lehre, sondern die dem Volke nothwendige Bildung vermittle. 
Die Nothwendigkeit der religiösen Grundlage für die gefammte Jugendbildung werde 
anerkannt, aber um die Toleranz zu befördern, und hauptsächlich weil die Herstellung und 
Unterhaltung der, Schulen dadurch erleichtert werde, sei die Einrichtuna von Simultanschulen 
zu begünstigen. 
Die Juden seien zu nöthigen, ihre Kinder in die allgemeinen Schulen zu schicken, 
wenn sie eigene nicht besäßen, und um diese mit tüchtigen Lehrern zu versorgen, müsse der 
Eintritt von Juden in's Seminar gestattet sein.
	        
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