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Plenarverhandlungen
weitere wissenschaftliche Studien erfordert, alle auf dieselbe Art
allgemeiner Vorbildungsschulen gewiesen werden? Diese Frage
ist in der That heute der Kern der Sache, denn alle diejenigen,
welche die in dem Vorschlage enthaltene Realschule von neun—
sähriger Dauer ohne Latein verwerfen, müssen konsequenter—
weise die Realschule mit Latein, die jetzige Realschule erster
Ordnung ebenfalls verwerfen; denn, was sie in ihrer Eingabe
aussprechen, es gäbe ohne klassische Bildung, auf deutsch ge—
sagt, ohne Kenntniß der beiden alten Sprachen, keine allge—
meine Bildung, ein Wort der furchtbarsten Härte —
(sehr wahr, sehr richtig!)
dieses Wort verwirft zugleich die Realschulen erster Ordnung;
denn man kann dasjenige Maß von Kenntnissen der lateinischen
Sprache, welches in dem an Realschulen zulässigen Umfang
der Lehrstunden erreichbar ist, auch mit der äußersten Nach—
giebigkeit in dem Gebrauch eines schön klingenden Wortes,
mit dem Namen der klassischen Bildung doch nimmermehr be—
zeichnen. Die Vertreter dieser Ansicht müssen also dahin ge—
langen: ausschließlich das Gymnasium ist die Vorbereitung für
Alle, welche zu höheren Studien sich vorbereiten wollen; und
sie führen hiermit in Konsequenz zum Ruin unserer Gym⸗
nasien und zur Verachtung der klassischen Bildung. Denn
dasjenige Maß klassischer Bildung, auf welches sich dann die
Schule, die für Alles dienen soll, beschränken muß, ist so
heschränkt, daß danach die schwächsten Leistungen der Gymnasien
in der alten Sprache über die jetzt oft geklagt wird, als herrlich
und ideal erscheinen werden gegen den Zustand, welcher dann ein—
treten muß. Diese Einheitlichkeit der allgemeinen Vorbereitungs⸗
schule liegt daher nicht in den Intentionen der Unterrichtsverwal—
tung; dieselbe hat sich vielmehr vergegenwärtigt, daß die vor—
bereitenden Schulen stets die Hauptrichtungen und Wege im
Auge gehabt haben, welche dann sollen eingeschlagen werden,
ohne daß dadurch die Aufgabe der allgemeinen Bildung in
ihrem Werthe irgend herabgedrückt wurde. Aber man wird
nicht vergessen dürfen, was allgemeine Bildung allein be—
deuten kann. Der Gedanke, es sollten die vorbereitenden
Schulen eine allgemeine Bildung vermitteln, welche alles
Wissenswerthe umfassen, und es gäbe daher von Schulen all—
gemeiner Bildung, wie man oft aussprechen hört, nur eine
Art, verlangt etwas Unmögliches. Nur das kann und muß
berlangt werden, daß die vorbereitenden Schulen bei ihren
Schülern für die verschiedenen Hauptrichtungen des mensch—
lichen Wissens ein verständnißvolles Interesse und dadurch
den Grund zur Achtung auch derjenigen Gebiete schaffen, auf
denen sie selbst später nicht arbeiten. Die hauptsächlichste