— 180
Plenarverhandlungen
ersucht, seine Ansicht darüber zu äußern. Ueberhaupt, meine
Herren, würde ja der Herr Handelsminister gar nicht daran
haben denken koͤnnen, eine tiefgreifende Umgestaltung der be—
stehenden Gewerbeschulen von 1870 auch nur einzuleiten, ohne
daß er vorher sich in Fühlung gesetzt hätte mit dem Herrn
Unterrichtsminister. Je mehr bei diesen Reformen der Ge⸗
danke geltend war, daß man die, früher eingeführte
Vermischung des Fachunterrichts und des allgemeinen
Bildungsunterrichts beseitigen, daß man also auf der einen
Seite die neunjährige allgemeine Bildungsanstalt, Realschule
ohne Latein, auf der anderen Seite die sechsjährige hoͤhere
Buͤrgerschule mit einem nach dem Abschluß der allgemeinen
Bildung sich anschließenden Fachunterricht schaffen müsse, —
desto mehr mußte der Herr Handelsminister natürlich sich
sagen, daß man mit solchen Bildungen unmittelbar eingreife
in das Ressort des Unterrichtsministers und gänzlich außer
Stande sei, hier abzuschließen, ohne daß die Zustimmung des
letzteren gewonnen war. Nur wegen des voͤlligen Verkennens
dieser Verhältnisse war es möglich, daß die Gegner der Reform,
besonders die Baubeamten, zum Beispiel den Herrn Geheim⸗
rath Bonitz für ihre Anschauͤung citiren konnten, da ohne die
Zustimmung der Dezernenten im Unterrichtsministerium, auf
deren Rath der Herr Unterrichtsminister viel Werth legen
muß, die ganze Reform nicht eingeleitet worden wäre. Also
pwohl die Ansichten der Architekten sind dem Unterrichts-—
ministerium vordelegt, als auch hat der Herr Unterrichts-
minister alle unsere Schritte begleitet, und wir haben immer
gefragt, welches seine Anschauung darüber sei.
Erlauben Sie mir nur zwei Worte Herrn Seyffardt zu
erwiedern. Ich theile die Besorgniß, daß es schwer sein wird,
die zweite Gruppe von Gewerbeschulen, die höhere Bürger⸗
schule mit Fachschule, in einer größeren Zahl von Exemplaren
eßt herzustellen. Der Herr Abgeordnete Seyffardt hat leider
mit Kecht bemerkt, sehr bald würden die Städte emporzu—
steigen suchen zu der neunjährigen Realschule ohne Latein.
Ja, meine Herren, das ist eins der schwersten Uebel in unserem
Deutschen Wesen, daß wir uns nicht genügen lassen wollen,
daß wir auch da, wo es viel besser waͤre uns zu beschränken
und in der Beschräͤnkung das Tüchtige zu leisten, immer die
—D
(Sehr wahrl!)
Es ist ein Zeichen dieser Krankheit, daß wir in der
preußischen Monarchie 240 Gymnasien haben, 84 Realschulen
J. Ordnung, sehr viele andere Realschulen mit sieben- bis acht⸗
jährigem Cursus und eine ganz geringe Zahl von sogenannten