Full text: Das technische Unterrichtswesen in Preußen

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Plenarverhandlungen 
Also, meine Herren, die Volksschule hat bei uns eine 
achtjährige Unterrichtszeit, und trotzdem, auch wo sie am besten 
eingerichtet ist, nur einen sechsjährigen Kursus, das geschieht 
deshalb, weil alle Kinder in ihrem regelmäßigen Fortschreiten 
durch Krankheit oder andere Ursachen eine Zeit lang aufge— 
halten werden, und weil es von der größten Wichtigkeit ist, 
daß möglichst viele Schüler das Unterrichtsziel der Schule er— 
reichen. 
Nun können aber in einem sechsjährigen Kursus die Kennt— 
nisse und Fertigkeiten, die zu unserer Zeit jedem Menschen 
beinahe unentbehrlich sind, kaum bis zur nöthigen Sicherheit 
und Dauerhaftigkeit beigebracht werden, und ich meine hier 
nur Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Deutsch und Reli— 
zion. Also, meine Herren, bleibt in der Volksschule für 
reinen Fachunterricht in nennenswerther Ausdehnung absolut 
kein Platz. Man kann für diejenigen Schüler, welche mit 
dem zwoͤlften Jahre den Kursus vollendet haben, einige 
Oberklassen einrichten und ihnen hier Gelegenheit geben, nütz— 
liche Kenntnisse für ihren Beruf zu erwerben, für die große 
Masse der Schüler aber müssen wir uns auch ferner mit dem 
traurigen Nothbehelf der Fortbildungsanstalten begnügen, bis 
es möglich sein wird, Lehrwerkstätten einzurichten und hierin 
den Schülern Gelegenheit zu geben, ihren Lebensunterhalt 
wenigstens zum Theil zu verdienen. Also, meine Herren, ist 
es vollkommen richtig, wenn in diesem Organisationsplan 
oon der Errichtung niederer Gewerbeschulen Abstand ge— 
nommen ist. 
Ebenso wenig, meine Herren, werden die Hochschulen 
der neuen Organisation einen Angriff erfahren. Sie geben 
den Studirenden reiche Gelegenheit, sich Fachkenntnisse zu er— 
werben und sich in der allgemeinen Bildung zu vervollkomm— 
nen, und es muß den Studirenden durchaus überlassen werden, 
inwieweit sie diese Gelegenheit benutzen oder nicht. 
Was nun weiter die mittleren Gewerbeschulen 
betrifft, so haben diese die unabweisbare Aufgabe, solche 
sunge Leute, welche die Schule mit dem 16. Jahre verlassen 
müssen und sich dann dem Gewerbebetriebe zuwenden wollen, 
zweckmäßig vorzubilden. Diese Aufgabe ist in dem Plan in 
zwei Punkten nicht erfüllt. 
Meine Herren, jede Schule, die ihre Schüler ins prak— 
tische Leben entläßt, muß ihnen einen abschließenden Unter— 
richt geben, d. h. sie muß nichts lehren, was erst in einer 
höheren Schule verwerthet werden soll, und sie muß in allen 
Lehrfächern es so weit mit ihren Schülern bringen, daß sie 
Lust bekommen, sich darin weiter fortzubilden. Nun lehrt
	        
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