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Plenarverhandlungen
vollständigem Widerspruch steht zu der Hervorhebung der for⸗
malen Bildung, welche aus den alten Sprachen geschoͤpft werde.
Denn was mil dem Namen der formalen Bildung bezeichnet
wird, kann doch nur darin liegen, daß die Nothwendigkeit
scharfer Vergleichung der eigenen Sprache mit der weit davon
eutfernt gelegenen fremden Sprache zur genauen Auffassung
oon Sprachform und Gedankeninhalt zwingt. Sofern Genauig⸗
feit des Grammatischen aufgegeben wird, ist jeder sprachliche
Unterricht in der Gefahr, zu einem dilettanischen Rathen der
bedenklichsten Art zu verführen. Mag diese Gefahr dann auch
herdeckt werden durch das Ziel, das nämlich eingeführt wer—
den solle in das Leben des Alterthums; zu diesem Ziele wür—
den andere Mittel, zwar nicht in voller Gründlichkeit, aber
gegenüber dem Nachlheile einer bloß rathenden und schwan⸗
kenden Auffassung der Sprache vielleicht in noch zulaͤssigerer
Weise führen.
Endlich ist in den Worten des geehrten Herrn Vorredners
öfters Grammatik und Mathematik einander gegenübergestellt
und es ist — habe ich recht verstanden — die Aeußerung
gefallen, es sei bei den Vertheidigern der beabsichtigten neun⸗
flassigen lateinlosen Schulen die Mathematik an Stelle der
Grammatik gesetzt. Ich muß es auf das Bestimmteste ab—
lehnen, daß irgend welche Vergleichung zwischen Grammatik
und Mathematik in irgend einer Erklärung seitens der König—
lichen Staͤatsregierung vorgekommen ist, und daß an, eine Er—
setzung des einen dieser Gegenstände durch den andern irgendwie
gedacht werde. Mag man bei beiden von formaler Bildung sprechen,
ormale Bildung ist ein allgemeines Wort, welches seine Be—
deutung erst erhält durch die Natur der Gegenstände, um
deren Form es sich handelt. Dagegen ist immer betont worden,
daß allerdings zwei Elemente für allgemeine Bildung erforder—
lich sind, das eine ist das sprachlich-historische, das andere ist
das mathematisch⸗naturwissenschaftliche. Es ist betont worden,
daß es ein Unrecht sein würde, solche Schulen für Anstalten
alkgemeiner Bildung auszugeben, welche nur eine dieser
beiden Seiten ausschließlich pflegen wollten, sei es die sprach—
lich-historische, sei es die mathematisch-naturwissenschaftliche,
keine von beiden kann im entferntesten mit der anderen in
Vergleichung gestellt oder als Ersatz der anderen angesehen
werden. Dagegen glaubt die Königliche Staatsregierung nicht
dafür eintreten zu dürfen, daß sprachlich-historische Bildung
ausschließlich bedingt sei durch das Erlernen und durch die
Beschäftigung mit den beiden alten Sprachen. Nur soweit
gehen die Erklärungen, welche in dieser Hinsicht bereits an an—
derer Stelle abgegeben sind und aufrecht gehalten werden.