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Denkschrift
zum charakteristischen Merkmal einer allgemeinen Bildungs—
anstalt, daß auf ihr die todten, statt der lebenden modernen
Sprachen gelehrt werden. Man fördert auch die Lust und
Liebe zu den Sprachen des Alterthums nicht, wenn man sie
zwangsweise auch für die Berufsarten festhält, welche keinen
othwendigen Zusammenhang mit ihnen haben. Der Architekt
wird allerdings auf das Alterthum zurückgewiesen, ebenso wie
der Bildhauer, aber weniger auͤf die Sprachen des Alterthums,
als auf seine Baus und Bildwerke, auf seine Kunstformen,
deren Verstaändniß nur durch die Anschauung, sei es die un—
mittelbare, oder die durch die modernen englischen, französischen,
talienischen, deutschen Forschungen und Nachbildungen ver—
mittelte Anschauung nahe gebracht werden kann. Darum wird
es zulässig sein, auch solche höhere Lehranstalten zur unbe—
schraͤnkten ¶Vorbereitung für das Bau— und Bauingenieurfach
zuzulassen, welche, während sie in der Kursusdauer, also in
der der Vorbildung gewidmeten Zeit, den Gymnasien und
Realschulen J. Ordnung gleichen, nur die modernen Sprachen
lehren, und welche, während sie manche Vorzüge dieser letzteren
Austalten nicht bieten können, dafür den einen Vortheil ge⸗
währen, daß sie ohne Ueberbürdung der Schüler vollen
Raum für die Mathematik, die Naturwissenschaften
und für die eigentliche Sprache der Technik, für das
Zeichnen in seinen verschiedenen Formen übrig behalten.
Auch das Zeichnen ist ja nicht, wie man früher in
Folge unser einseitigen, dem Sinne für Gestaltung und
Form entfremdeten Erziehungsweise meinte, ein technisches
Beiwerk, sondern ein wahrhafles Bildungsmittel für Auge und
Hand, das wichtigste Mittel, Geschmack und Formensinn bei
uns zu heben. So scheint es rathsam, jeder der drei Kategorien
höherer Lehranstalten freie Bewegung zu lassen und ihr die
Konkurrenz so lange nicht abzuschneiden, bis etwa der voll⸗
eommene Lehrplan erfunden ist, der die ihnen eigenthümlichen
Vorzüge sämmtlich in sich vereinigt. Die Eltern, deren Söhne
Techniker werden wollen, und die die gymnasiale Vorbildung
oder die der Lateintreibenden Realschulen vorziehen, behalten
dazu die reichlichste Gelegenheit. Denn es wird nach Durch⸗—
ührung der Reform neben 240 Gymnasien und 84 Real⸗
schulen J. Ordnung nur etwa 12 höhere Gewerbeschulen ohne
Lallein geben und die Absicht der Staatsregierung beschränkt
sich zunaͤchst darauf, diese letztere Organisation nur da herzu⸗
tellen, wo Gewerbeschulen nach dem Plane von 1870 bereits be⸗
stehen und die Gemeinden die bezeichnete Umwandlung verlangen.
Was die zweite Gruppe von Gewerbeschulen, die technische
Mittelschule, betrifft, so liegen einige Einwendungen gegen