310
Anlagen.
Die Petenten haben gegen die Theilung der reorgani—
sirten Gewerbeschulen in zwei Gruppen Nichts zu erinunern,
sie führen nur darüber Beschwerde, daß einer Kategorie von
Schulen, welche das Bildungsprinzip auf Grund der alten
Sprachen verleugnet, das Recht zuertheilt wird, die Staats—
Baubeamten vorzubilden, indem sie zugleich behaupten, daß
hierdurch die allgemeine wissenschafthiche Vorbildung
und Leistungsfähigkeit Derer, welche sich dem Baufach
widmen, herabgedrückt würde.
Wir sind weit davon entfernt, die Bedeutung der alten
Sprachen für die formale Ausbildung des Denkens und für
die Disziplinirung des menschlichen Geistes ableugnen zu
wollen, aber wir behaupten, daß dasselbe auch durch andere
Unterrichtsstoffe zu Wege gebracht werden kann, welche neben—
bei den Vorzug haben, ein unentbehrliches Wissensmaterial
für den künftigen Lebensberuf des Architekten und Ingenieurs
zu liefern.
Erfahrungsmäßig kommt die Mehrzahl der Kandidaten
auch des Staats-Baufaches von den Realschulen erster Ord—
nung, welche das Griechische überhaupt nicht lehren und
auch im Lateinischen hinter dem Ziele der Gymnasien bei
Weitem zurückbleiben, so daß es selbst fraglich erscheint, ob
die methodische Durchbildung und Durchdringung
der lateinischen Grammatik auf diesen Schulen in dem
Umfange erreicht werden kann, den die Petenten und An—
hänger der Gymnasialausbildung vor Augen haben.
Sodann aber hat eine Anfialt, welche die alten Sprachen
ernsthaft und gründlich betreiben will, weder für die modernen
Sprachen, noch für die mathematischen Studien und für den
Zeichenunterricht genügenden Raum; und doch ist die Kennt—
niß der wichtigsten modernen Sprachen für den Techniker
heutzutage unentbehrlich. Ohne dieselben kann er weder
die reiche Literatur der Engländer, Franzosen und Amerikaner
für sein Fach verwerthen, noch vermag er im lebendigen Ver—
kehr mit neuen Entdeckungen und Erfindungen zu bleiben,
die in anderen Ländern gemacht werden.
Der Techniker ist mehr als der Jurist oder der Philologe
genöthigt, über die Grenzen seines eigenen Vaterlandes hin—
auszugehen und in lebendiger Beziehung mit den Leistungen
der modernen Kulturvölker zu bleiben.
Wir stimmen in dieser Hinsicht dem Urtheil eines her—
oorragenden Architekten zu, welcher in einem im Berliner
Architekten-Vereine gehaltenen Vortrage hierüber woörtlich sich
äußerte:
„Die alten Sprachen erschließen uns Literatur—