Full text: Das technische Unterrichtswesen in Preußen

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Anlagen. 
Die Petenten haben gegen die Theilung der reorgani— 
sirten Gewerbeschulen in zwei Gruppen Nichts zu erinunern, 
sie führen nur darüber Beschwerde, daß einer Kategorie von 
Schulen, welche das Bildungsprinzip auf Grund der alten 
Sprachen verleugnet, das Recht zuertheilt wird, die Staats— 
Baubeamten vorzubilden, indem sie zugleich behaupten, daß 
hierdurch die allgemeine wissenschafthiche Vorbildung 
und Leistungsfähigkeit Derer, welche sich dem Baufach 
widmen, herabgedrückt würde. 
Wir sind weit davon entfernt, die Bedeutung der alten 
Sprachen für die formale Ausbildung des Denkens und für 
die Disziplinirung des menschlichen Geistes ableugnen zu 
wollen, aber wir behaupten, daß dasselbe auch durch andere 
Unterrichtsstoffe zu Wege gebracht werden kann, welche neben— 
bei den Vorzug haben, ein unentbehrliches Wissensmaterial 
für den künftigen Lebensberuf des Architekten und Ingenieurs 
zu liefern. 
Erfahrungsmäßig kommt die Mehrzahl der Kandidaten 
auch des Staats-Baufaches von den Realschulen erster Ord— 
nung, welche das Griechische überhaupt nicht lehren und 
auch im Lateinischen hinter dem Ziele der Gymnasien bei 
Weitem zurückbleiben, so daß es selbst fraglich erscheint, ob 
die methodische Durchbildung und Durchdringung 
der lateinischen Grammatik auf diesen Schulen in dem 
Umfange erreicht werden kann, den die Petenten und An— 
hänger der Gymnasialausbildung vor Augen haben. 
Sodann aber hat eine Anfialt, welche die alten Sprachen 
ernsthaft und gründlich betreiben will, weder für die modernen 
Sprachen, noch für die mathematischen Studien und für den 
Zeichenunterricht genügenden Raum; und doch ist die Kennt— 
niß der wichtigsten modernen Sprachen für den Techniker 
heutzutage unentbehrlich. Ohne dieselben kann er weder 
die reiche Literatur der Engländer, Franzosen und Amerikaner 
für sein Fach verwerthen, noch vermag er im lebendigen Ver— 
kehr mit neuen Entdeckungen und Erfindungen zu bleiben, 
die in anderen Ländern gemacht werden. 
Der Techniker ist mehr als der Jurist oder der Philologe 
genöthigt, über die Grenzen seines eigenen Vaterlandes hin— 
auszugehen und in lebendiger Beziehung mit den Leistungen 
der modernen Kulturvölker zu bleiben. 
Wir stimmen in dieser Hinsicht dem Urtheil eines her— 
oorragenden Architekten zu, welcher in einem im Berliner 
Architekten-Vereine gehaltenen Vortrage hierüber woörtlich sich 
äußerte: 
„Die alten Sprachen erschließen uns Literatur—
	        
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