30
Denkschrift
blos zu kopiren versteht, den Wettkampf mit den Konkurrenten
so sehr erleichtern, eifrig angestrebt wird.
Die Staatsregierung hat nicht geglaubt, daß die Ver—
besserung des abendlichen Zeichen-Unterrichts an einem Orte
für sich allein stets ausreichend sein werde, um die künstlerische
Seite eines Gewerbebetriebes zu heben. Sie nimmt an, daß
auch in Preußen von der Einrichtung kunstgewerblicher
Fachschulen mit Lehrwerkstätten die günstigsten Resultate
für die Entwickelung einzelner Gewerbszweige erwartet werden
können, hat aber Bedenken getragen, in dieser Richtung aus—
gedehnte Vorbereitungen zu treffen, weil auch hier die allge—
meine Finanzlage des Staates wie der Gemeinden von Anfang
an hinderlich gewesen ist und weil die Richtigkeit jener An—
—
die Frage des Bedürfnisses dürfte hier in jedem einzelnen
Falle mit besonderer Sorgfalt zu erwäaͤgen sein.
Die erste in neuester Zeit entstandene Fachschule mit
Lehrwerkstaäͤtte ist die Fachschule für Korbflechterei in Heins—
berg im Regierungsbezirk Aachen. Ein großer Theil des
zleichnamigen Kreises besteht aus sumpfigen Niederungen, auf
denen das milde und von schroffen Temperaturwechseln freie
Klima die Kultur der Korbweide sehr begünstigt. Trotzdem
daß die Kosten der ersten Anlage einer Weidenanpflanzung sich
auf mehr als 200 M pro Morgen belaufen, war schon im
oorigen Jahre mehr als die Haͤlfte des für diesen Betrieb
brauchbaren Areals im Ganzen 1650 Morgen mit Weiden
angebaut. Mit der Kultur der Korbweide hat sich auch die früher
unbekannte Anfertigung von Korbwaaren im Kreise verbreitet.
Es beschäftigten sich damit 1865 bereits 213 Personen, 12 Jahre
später aber gegen 600. Eine in Heinsberg gebildete Gesell—
schaft hat sich die Aufgabe gestellt, die Verfertigung der
feineren Korbwaaren einzuführen und vor 2 Jahren eine
Fachschnle und Lehrwerkstätte für Korbflechter errichtet, welche
20 bis 30 Schüler zählt. Sie werden im Korbflechten,
Zeichnen und Turnen unterwiesen und besuchen am Sonntag
Vormittag den Unterricht in der Fortbildungsschule. Die
praktische Anleitung geben einige Meister aus dem Kreise und
zwei andere aus Lichtenfels in Bayern, wo die Flechtkunst
bekanntlich auf einer hohen Stufe steht. In den mit den
Eltern oder Vormündern der Schüler abgeschlossenen Ver—
trägen haben die ersteren sich zu einer Konventionalstrafe wver—
pflichtet für den Fall, daß sie den Vertrag nicht halten oder
der Lehrling entlaufen sollte. Das Schulgeld betraͤgt jährlich
20 Mark, den Schüuͤlern wird aber ein Theil des Erlöses aus
den verkauften Arbeiten in der Form einer Prämie gezahlt.
—
u
39
i
.