Full text: Das technische Unterrichtswesen in Preußen

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Denkschrift 
blos zu kopiren versteht, den Wettkampf mit den Konkurrenten 
so sehr erleichtern, eifrig angestrebt wird. 
Die Staatsregierung hat nicht geglaubt, daß die Ver— 
besserung des abendlichen Zeichen-Unterrichts an einem Orte 
für sich allein stets ausreichend sein werde, um die künstlerische 
Seite eines Gewerbebetriebes zu heben. Sie nimmt an, daß 
auch in Preußen von der Einrichtung kunstgewerblicher 
Fachschulen mit Lehrwerkstätten die günstigsten Resultate 
für die Entwickelung einzelner Gewerbszweige erwartet werden 
können, hat aber Bedenken getragen, in dieser Richtung aus— 
gedehnte Vorbereitungen zu treffen, weil auch hier die allge— 
meine Finanzlage des Staates wie der Gemeinden von Anfang 
an hinderlich gewesen ist und weil die Richtigkeit jener An— 
— 
die Frage des Bedürfnisses dürfte hier in jedem einzelnen 
Falle mit besonderer Sorgfalt zu erwäaͤgen sein. 
Die erste in neuester Zeit entstandene Fachschule mit 
Lehrwerkstaäͤtte ist die Fachschule für Korbflechterei in Heins— 
berg im Regierungsbezirk Aachen. Ein großer Theil des 
zleichnamigen Kreises besteht aus sumpfigen Niederungen, auf 
denen das milde und von schroffen Temperaturwechseln freie 
Klima die Kultur der Korbweide sehr begünstigt. Trotzdem 
daß die Kosten der ersten Anlage einer Weidenanpflanzung sich 
auf mehr als 200 M pro Morgen belaufen, war schon im 
oorigen Jahre mehr als die Haͤlfte des für diesen Betrieb 
brauchbaren Areals im Ganzen 1650 Morgen mit Weiden 
angebaut. Mit der Kultur der Korbweide hat sich auch die früher 
unbekannte Anfertigung von Korbwaaren im Kreise verbreitet. 
Es beschäftigten sich damit 1865 bereits 213 Personen, 12 Jahre 
später aber gegen 600. Eine in Heinsberg gebildete Gesell— 
schaft hat sich die Aufgabe gestellt, die Verfertigung der 
feineren Korbwaaren einzuführen und vor 2 Jahren eine 
Fachschnle und Lehrwerkstätte für Korbflechter errichtet, welche 
20 bis 30 Schüler zählt. Sie werden im Korbflechten, 
Zeichnen und Turnen unterwiesen und besuchen am Sonntag 
Vormittag den Unterricht in der Fortbildungsschule. Die 
praktische Anleitung geben einige Meister aus dem Kreise und 
zwei andere aus Lichtenfels in Bayern, wo die Flechtkunst 
bekanntlich auf einer hohen Stufe steht. In den mit den 
Eltern oder Vormündern der Schüler abgeschlossenen Ver— 
trägen haben die ersteren sich zu einer Konventionalstrafe wver— 
pflichtet für den Fall, daß sie den Vertrag nicht halten oder 
der Lehrling entlaufen sollte. Das Schulgeld betraͤgt jährlich 
20 Mark, den Schüuͤlern wird aber ein Theil des Erlöses aus 
den verkauften Arbeiten in der Form einer Prämie gezahlt. 
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