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Neuntes Kapitel.
Durch die Aufstiege Blanchards in Wien wurde ein aus Basel
stammender Uhrmacher Degen zum Bau eines Flügelfliegers an-
geregt, mit dem er unter Anwendung von Gegengewichten in einer
großen Halle kleinere Strecken zurückzulegen vermochte. Degen
wurde nach mißglückten Probeflügen in Paris von der getäuschten
Menge mißhandelt und zog es später vor, seine Experimente unter
einem Ballon anzustellen.
Eine lange Reihe Projekte der verwickeltsten Art wurde im
Laufe der Jahre von allen möglichen Leuten aufgestellt, aber die
Erfolge waren immer gleich Null, solange das Auf- und Abwärts-
bewegen der Flügel lediglich durch Menschenkraft erfolgen sollte.
Der Flugapparat von Degen.
Aus Moedebecks Taschenbuch für Flugtechniker und Luftschiffer.)
Auf einer eigenartigen Anschauung beruhen die Ideen des
Bergsekretärs Buttenstedt, eines eifrigen Verfechters der Vogel-
Augmaschinen. An Bildern fliegender Störche von Anschütz
studierte er in der Natur die Stellungen der Flügel und ent-
wickelte die Theorie der sog. elastischen Spannung und Entspannung.
Buttenstedt weist darauf hin, daß bei einem stehenden Vogel die
Flügelspitzen etwas nach hinten unten und umgekehrt beim schwe-
benden Vogel nach vorn oben. gerichtet sind. In diese letztere
»Zwangslage« gelangen sie nach seiner Ansicht durch den Vertikal-
druck der Luft unter der ‚Last des Körpergewichts. Durch diese
»Spannung« wurde eine Druckkraft erzielt, welche bei ihrer »Ent-
spannung« den frei schwebenden Vogel vorwärtstrieb. Das Vorwärts-
fliegen nähme erst dann ein Ende, wenn der Spannungsdruck gleich-
wertig würde dem entgegenwirkenden Luftdruck. Stete Spannung
und Entspannung seien das Wesen des Vogelflugs.
Die Schwerpunktslage und Richtung der Flügel erlaubten nur
ein Vorwärtsfliegen.
Der Franzose Marey hat dem Vogelflug ein ganz besonderes
Studium gewidmet und festgestellt, daß der Vogel beim Flügelnieder-
schlag die Luft nicht nach hinten wirft, sondern so fliegt, daß die
Flügelspitzen dann nach vorwärts gehen.