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Neunzehntes Kapitel.
Haltedraht reißt und mehrere Kilometer Draht verloren gehen oder
uanbenutzbar werden.
Die Kosten des Materials werden auf die Dauer so hoch, daß
sie denjenigen von Ballons zum mindesten bald gleichkommen.
Überhaupt ist das Aufsteigen der Drachen nicht selten mit beträcht-
lichen Schwierigkeiten verknüpft, und nur bei sorgfältigster, an-
dauernder Beobachtung derselben kann man häufige Katastrophen
vermeiden. Es ist deshalb auch in der ganzen wissenschaftlichen
Welt rückhaltlos anerkannt worden, daß es der Energie Aßmanns
gelungen ist, seit nunmehr 4 Jahren lückenlos tägliche Aufstiege
mit Ballons oder Drachen auszuführen.
Die Aufstiege erfolgen mit Hilfe einer elektrisch betriebenen
Winde, an welcher Vorrichtungen zum Ablesen des Zuges an-
gebracht sind. Diese Winde dient einmal zum schnellen Herunter-
holen der Drachen, dann aber vorübergehend auch zum Einholen
derselben beim Aufstieg. Bei schwachem Winde in den unteren
Schichten legt man eine größere Strecke des Fesseldrahtes, z. B.
500 bis 1000 m, auf der Erde aus, hält den Drachen in die Luft
und läßt die Winde mit größter Schnelligkeit laufen. Auf diese
Weise gibt man der Drachenfläche den nötigen Luftwiderstand und
bringt ihn aus der windstillen Zone in bewegtere Höhen hinauf.
Das Abreißen längerer Drahtstücke ist außerdem in der Nähe
größerer Städte mit Gefahren für die Menschen verknüpft. Ganz
abgesehen davon, daß Störungen des Telegraphen- und Telephon-
dienstes durch den über die Leitungen geratenen Draht hervor-
gerufen werden, ist es mehrfach vorgekommen, daß er über Stark-
stromleitungen der Straßenbahnen fiel und dadurch die Veranlassung
zu mehr oder minder ernsten Verletzungen zufällig anwesender Per-
sonen gab.
Auf dem Tegeler Schießplatze kam es ferner wiederholt vor,
daß der Drachen gerade dann, wenn, wie das häufig der Fall ist,
in höheren Schichten eine anders gerichtete Luftströmung vorhanden
war, in die Haltekabel der Militärballons geriet und den Betrieb
des Luftschifferbataillons störte.
Diese Vorkommnisse führten dazu, daß Aßmann sein Obser-
vatorium auf einen geeigneteren Platz, nach Lindenberg im Kreise
Beeskow -Storkow, 65 km südöstlich von Berlin, verlegte, um hier
ungehindert von allen Belästigungen die Arbeiten fortzusetzen.
Das Windenhaus auf einer das Gelände überragenden kleinen
Anhöhe ist drehbar und vermag der Richtung des Drachenkabels