Ballonphotographie. 323
platte bereits dazu fortgeschritten war, unter Anwendung von Gilas-
platten Negative herzustellen, von denen man eine beliebige Anzahl
Positive zu gewinnen vermochte, so erschwerte doch die Notwendig-
keit der Verwendung nasser Platten, welche unmittelbar nach der
Herstellung exponiert und nach dem Exponieren sofort entwickelt
werden mußten, das Photographieren im Ballon außerordentlich.
Beim nassen Verfahren, welches mit geringen Modifikationen
für die Reproduktion namentlich von Strichzeichnungen noch heute
gang und gäbe ist, wird eine Spiegelglasplatte mit jodiertem Kol-
lodium überzogen und in einem Silberbade mit der lichtempfind-
lichen Schicht versehen. Es ist Bedingung, bei Anwendung solcher
Platten noch vor dem Trockenwerden die Aufnahme zu machen und
zu entwickeln, weil andernfalls infolge Auskristallisierens des licht-
empfindlichen Silbers kein Bild zustande kommen kann.
Seinen ersten Versuch machte Nadar in einem Ballon captif, in
dessen Gondel er sich eine besondere Dunkelkammer in Form eines
runden Zeltes aus schwarzgefüttertem, orangefarbigem Stoff errichtet
hatte. Der mit großen Kosten unternommene Aufstieg verlief er-
gebnislos, angeblich weil aus dem Appendix des Ballons Schwefel-
wasserstoffgas ausgeströmt war, welches die Platten verdorben haben
soll. Die Gondel befand sich nämlich nach Art der damaligen An-
hängung zu dicht unter dem Füllansatz. Erst gelegentlich einer
freien Ballonfahrt gelang es ihm zufällig, nach vorheriger Präparie-
rung der Platten bei einer Zwischenlandung Aufnahmen von oben
zu machen, welche bei der sofort vorgenommenen Entwicklung brauch:
bare Resultate ergaben. In Zukunft hat daher Nadar die Platten
stets unmittelbar vor der Auffahrt präpariert, die Aufnahmen schnell
vollzogen, den Ballon einholen lassen und die Platten gleich entwickelt.
Seine Resultate sind nunmehr sehr gute gewesen. Das italienische
Kriegsministerium lud ihn daher ein, während des Feldzuges gegen
Österreich nach Italien zu kommen, um dort die Stellungen der
Feinde bei Solferino photographisch zu rekognoszieren. Diese Auf-
nahmen sollen aber unbrauchbar gewesen sein.
Zwei und drei Jahre später findet die Ballonphotographie auch
in Amerika und England Freunde: King und Blak nahmen die
Stadt Boston von einem Fesselballon aus auf, und der Italiener
Negretti, welcher schon in seiner Heimat auf Anregung des
Königs die neue Kunst eifrigst gepflegt hatte, photographierte die
Stadt London von einem freifliegenden Aerostaten aus. Über die
Erfolge dieser beiden ist nichts bekannt geworden.