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Zwanzigstes Kapitel.
In der Nähe von großen Städten sind die Verhältnisse abnorm
schlechte. So z. B. lagert über Berlin an fast allen Tagen des
Jahres ein dichter Dunst, über welchem man im Ballon schon in
ca. 200—300 m Höhe zu schweben pflegt. Diesen Dunst — die Luft-
schiffer haben dafür einen weniger parlamentarischen Ausdruck —
kann man noch auf viele Kilometer über Land in der Windrichtung
verfolgen, oft geht er weit über 100 km fort, ehe er sich »ge-
setzt« hat.
Ein Beispiel, in welcher Weise die Lichtstrahlen eine Erschei-
nung zu modifizieren vermochten, haben wir zur Zeit der Sonnen-
finsternis 1905 gehabt. Der Meteorologe Professor Berson hat,
wie auch früher schon andere Beobachter, festgestellt, daß die
Korona der Sonne ihm weit kleiner erschienen ist als den Erd-
beobachtern.
Ein Teil der französischen Astronomen, unter ihnen der be-
rühmte Janssen, legen deshalb sehr hohen Wert auf die Beobach-
tungen, welche während einer Sonnenfinsternis vom Luftballon aus
angestellt werden.
Über die Lichtverhältnisse in den verschiedenen Jahres- und
Tageszeiten, über den Einfluß der Wolkendecke usw. muß natürlich
der Ballonphotograph nicht minder gut unterrichtet sein wie ein
Fernphotograph auf der Erde. Er muß wissen, daß z. B. gerade
die chemische Wirksamkeit des Lichtes außerordentlich wechselnd
ist. Die Aktinität der im Zenit stehenden Sonne ist am größten,
deshalb ist sie im Juni 16mal größer als im Dezember; vormittags
ist der Einfluß des Lichtes intensiver als nachmittags. Leichte Be-
wölkung am Himmel absorbiert bis zu 40%, eine graue Decke bis
80% der Strahlen. Das direkte Sonnenlicht ist 8—14mal stärker
als das diffuse Licht des blauen Himmels. Bei weißen, von der
Sonne beschienenen Wolken steigert sich die Intensität auf das
2—3 fache.
Im Gebirge ist noch zu beachten, daß infolge der reinen Luft
zwischen Licht und Schatten starke Gegensätze vorhanden sind.
Der Franzose Boulade‘?) stellt in dem Jahrbuch für Photo-
graphie hierfür einige Zahlen zusammen, nach welchen man unter
Berücksichtigung der Jahreszeiten, Sonnenhöhe, Himmel usw. die
Expositionszeiten annähernd zu bestimmen vermag.
*) Annuaire General et International de la Photographie. Paris, Plon-
Nourret et Compagnie, 1904.