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Fünfundzwanzigstes Kapitel.
getan. Für die letztere Annahme spricht der Umstand, daß die
belgischen Tauben ihren persischen Schwestern ähnlicher sind.
Binnen kurzer Zeit wurden die Vögel auch in Italien und
Nordeuropa heimisch, und bei der Belagerung von Haarlem 1572,
von Leiden 1574 und Venedig 1849 bestand mit ihrer Hilfe
ein ununterbrochener Verkehr der Eingeschlossenen mit dem zum
Ersatz heranrückenden Heere.
Eine ganz raffinierte Verwendung der Tauben hatte das Lon-
doner Haus Rothschild 1815 organisiert, um möglichst schnell
von dem Ausgange des Kampfes unterrichtet zu werden. Die Ver-
bindung des Operationsfeldes mit London war so gut geglückt.
daß die Nachricht von der Entscheidung in der Schlacht bei Water-
loo Rothschild drei Tage eher bekannt wurde als der Regierung,
und ungeheuere Vorteile wurden durch Börsenmanöver daraufhin
erzielt. In der Folge haben sich bis zur Einführung des elektrischen
Telegraphen 1850 die großen Banken, Kaufleute und namentlich die
»Kölnische Zeitung« der Tauben zur Übermittlung der Börsen-
und anderer Nachrichten bedient.
In allen europäischen Staaten wurde bald die Wichtigkeit dieser
Tiere anerkannt, und überall entstanden Stationen, welche auf Kosten
der Regierung unterhalten wurden.
In der Hauptsache blieb aber die Zucht in den Händen der
Sportsliebhaber, die denselben mehr Sorgfalt und Liebe angedeihen
lassen können und durch Anschluß an Vereine und große Verbände
mehr Anregung zur eingehenden Dressur erhalten.
Eine hervorragende Rolle spielten die Brieftauben während
der Belagerung von Paris, in welche Stadt nach erfolgter Ein-
schließung und Zerstörung der durch die Seine gehenden unter-
irdischen Kabel Nachrichten nur noch durch diese gefiederten Boten
hineinkommen konnten.
An anderer Stelle ist schon erwähnt, daß im ganzen 363
Tauben die Stadt im Ballon verließen, von denen allerdings nur 57
zurückgekehrt sind. Der Grund dieses verhältnismäßig schlechten
Resultates ist in der außerordentlich ungünstigen Witterung des
Dezember 1870 zu suchen, der sich durch ungewöhnlich viele Schnee-
stürme oder ständiges nebliges Wetter sowie große Kälte auszeich-
nete. Witterungseinflüsse wirken natürlich, wie auf alle Individuen,
nicht minder auch auf das Wohlbefinden der Tauben ein.
Eine lächerlich unsinnige Nachricht wurde während des Feld-
zuges verbreitet, um die ungünstigen Resultate beim Rückflug zu