Brieftauben für Ballonzwecke.
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erklären; es hieß, Bismarck habe aus Norddeutschland eine große
Anzahl Raubvögel nach Frankreich kommen und dieselben vor
Paris aussetzen lassen. Diesen sei eine große Anzahl der Luftboten
zum Opfer gefallen.
Daß die in Paris befindliche große Anzahl von Tauben nicht
ausgenutzt worden ist, ist Schuld der Regierung. Man hatte an die
Möglichkeit einer Belagerung der Kapitale Frankreichs nicht im
entferntesten gedacht und deshalb verabsäumt, rechtzeitig die in der
Stadt beheimateten 800 Tauben in Außenschlägen bis zu ihrer Ver-
wendung unterzubringen. Der Gedanke, die Tiere durch Ballons
herauszubringen, stammt übrigens nicht von einem Franzosen,
sondern von einem Belgier namens van Rosebek. Der erste Ver-
such, welcher am 25. September im Ballon »La ville de Flo-
rence« mit drei Vögeln unternommen wurde, fiel glücklich aus, und
infolgedessen entschloß man sich, allen abgehenden Luftschiffen eine
Anzahl Tauben mitzugeben. Namentlich die Tauben Antwerpener
Rasse bewährten sich ausgezeichnet; mehrere derselben haben den
Transport und Rückflug bis zu sechsmal ausgeführt.
Erwähnenswert ist die Rückkehr einer Taube, welche am
12. Oktober vom Ballon »Le Washington« aus während heftiger
Beschießung durch Kleinfeuer aufgelassen wurde und am 5. De-
zember wieder in ihrem Pariser Schlage vorgefunden wurde. Es
ist mehrfach Gegenstand von Versuchen gewesen, ob der Flug der
Tiere durch Schießen beeinflußt wird. Sicher ist dies bei einzelnen
Vögeln der Fall, aber im großen und ganzen werden sich die Tauben
nicht davon abhalten lassen, auch durch den Kugelregen ihrem
heimatlichen Schlage zuzustreben.
Die Notwendigkeit, die wenigen noch zur Verfügung stehenden
Tauben nach Möglichkeit auszunutzen und ihnen sehr viele Depeschen
mitzugeben, führte zu einer genialen Erfindung, welcher allein die
große Zahl der beförderten Nachrichten — 100000 einzelne Depeschen
zu verdanken ist.
Ein hervorragender Photograph, Dagron geheißen, war sehr
vertraut mit der noch neuen Mikrophotographie, und er übte
besonders mit ihrer Hilfe die Reproduktion von Drucksachen und
geschriebenen Depeschen.
Das Verfahren dabei ist folgendes:
Mit einem sehr scharf zeichnenden . Objektiv photographiert
man eine sehr große Anzahl von Depeschen, welche alle auf
einem einzigen Bogen in Urschrift oder Druck aufgeklebt sind,