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Fünfundzwanzigstes Kapitel.
In Rußland hat man Versuche gemacht, Raubvögel zu dressieren,
welche Brieftauben abfangen sollten.!) Der frühere Kommandeur
der russischen Gardetruppen, Herzog Alexander von Oldenburg, hat
Jagdfalken fliegen lassen, welche auch tatsächlich in Entfernungen
über 2 km die Tauben geschlagen und sie zum Teil sogar ihrem
Herrn überbracht haben.
Viel Wert haben diese Experimente nicht, denn es wird immer
ein Zufall sein, wenn die Falken gerade die Brieftauben fassen,
welche in dem sehr erheblichen Umkreise einer F estung mit Nach-
richten zurückkehren.
Umgekehrt hat man auch die Tauben gegen ihre Feinde zu
schützen gesucht, man hat ihnen kleine Pfeifen mit schrillem Klang
so befestigt, daß dieselben durch den Luftzug beim Fliegen zum
Tönen gebracht wurden. Aber das Gegenteil wurde dadurch er-
zielt; die Raubvögel wurden nun erst aufmerksam auf Tauben,
welche sie sonst vielleicht nicht bemerkt hätten.
Man muß eben die Kraft und Geschicklichkeit der Tauben
durch häufige Touren pflegen, dann wird es ihnen leichter werden,
‘hren Feinden zu entgehen.
Wichtiger noch ist es, die Tiere vor den Nachstellungen der
Menschen zu schützen, die häufig systematisch dem F ange der
Tauben obliegen.
Schon Gambetta hat besondere Strafen für das Fangen der
Tiere ausgesetzt durch Dekret vom 23. Januar 1871, in welchem es
wie folgt heißt: ?)
»In Anbetracht der Wichtigkeit für die nationale Verteidigung,
welche die Brieftaubenpostverbindung mit Paris hat, verordnet die
Delegation der Regierung und der nationalen Verteidigung:
.. Wer während des Krieges eine Taube außerhalb des
Taubenschlages jagt oder irgendwie, sei es durch Schuß,
Pfeil, Schlinge oder Raubvogel, tötet, welcher Art die
Taube auch sei, wird mit sechs Wochen Gefängnis bestraft.
Wußte der Täter, daß die getötete Taube Depeschen trug,
oder als Bote bestimmt war, so wird er mit 1—5 Jahren
Gefängnis bestraft.
2
‘\ Zeitschrift für Luftschiffahrt 1890, S. 234 ff.
2 Zeitschrift für Luftschiffahrt 1887: Groß, »Die Ballonbrieftauben post
während der Belagerung von Paris im Jahre 1870/71.«