Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

Die Entwicklung der lenkbaren Luftschiffe. 47 
Im folgenden soll die Geschichte der lenkbaren Ballons und 
Flugmaschinen chronologisch verfolgt werden, wobei auch diejenigen 
Bauten und Projekte berücksichtigt werden, welche auch nur die 
geringste brauchbare Idee aufzuweisen haben. 
Man wird erkennen, daß fast immer dann, wenn sich ernste, 
wissenschaftlich und technisch gebildete Männer in den Dienst der 
Aeronautik gestellt haben, wenigstens etwas dabei herausgekommen 
ist, und man wird ferner aber auch feststellen können, daß die Fort- 
schritte, welche in 120 Jahren gemacht waren, außerordentlich ge- 
ringe gewesen sind. 
Der ‚nächstliegende Gedanke war, die Ballons nach dem Bei- 
spiele der Schiffe im Wasser mit Hilfe von Segeln, Rudern und 
Steuer zu dirigieren. 
Es stellt der wissenschaftlichen Bildung der Gebrüder Mont- 
gyolfier das beste Zeugnis aus, daß Joseph in einem Briefe an seinen 
Bruder diese Idee als eine »Chimäre« bezeichnete und ihm zu be- 
weisen suchte, daß es aussichtslos wäre, selbst eine größere Anzahl 
von Menschen an einem Ruderapparat arbeiten zu lassen, da auch 
bei windstillem Wetter kaum eine größere Geschwindigkeit als 7 bis 
8 km pro Stunde erzielt werden könne. 
Man muß sich eben klarmachen, daß die kleine Fläche der 
Ruder die Vorwärtsbewegung erzielen soll durch den Druck auf 
dieselbe Luft, welche der großen Fläche der Hülle usw. auch ent- 
sprechend größeren Widerstand entgegensetzt. Dieser Druckunter- 
schied kann nur durch die Schnelligkeit des Ruderns, natürlich in 
Verbindung mit einer zweckmäßigen Form des Ballons und der 
Ruder, überwunden werden. Der Geschwindigkeit der Menschen: 
kraft ist aber bald ein Ziel gesetzt, und da der Luftwiderstand außer- 
dem im Quadrat mit der Geschwindigkeit wächst, so kann schon 
bei gering zu nennenden Windströmungen der Widerstand nur durch 
sehr große Umdrehungsgeschwindigkeiten von Schrauben über- 
troffen werden. 
Die Wirkung der Steuerorgane ist dagegen, wenn Eigengeschwin- 
digkeit vorhanden ist, ähnlich wie im Wasser. 
Eine völlige Unkenntnis mit der Theorie der Ballons verraten 
die Vorschläge, durch vertikale Segel eine Eigenbewegung erzielen 
zu wollen. Wenn eine mit Gas gefüllte Hülle in der Luft im Gleich- 
gewicht schwebt, so wird sie auch mit allen ihren Teilen mit der 
Strömung in derselben Schnelligkeit davongetragen. Das Segel hängt 
demnach ebenso schlaff herunter wie bei Windstille.
	        
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