Drachenflieger und andere Flugmaschinen. 251
erst in späteren Jahren dem Studium der Ingenieurwissenschaften sich
hingab. Kreß hatte schon seit 1879 kleine mit Gummischnüren
getriebene Modelle vorgeführt — die Figur auf S. 249 unten zeigt ein
Maschinchen von 1892 — und konnte im Juni 1901 die ersten Ver-
suche mit seiner großen Flugmaschine auf dem Tullner See anstellen.
Das Ganze ruhte auf zwei schmalen Aluminiumbooten, die als Schwim-
mer oder Schlittenkufen dienen konnten (Anlauf auf Wasser oder Eis).
Der Drachenflieger sollte etwa 650 kg wiegen, wurde aber in-
folge der Unzulänglichkeit der Motoren 200 kg schwerer. Das gab
schon auf dem Wasser eine Überlastung der Aluminiumboote und
bei der ersten scharfen Wendung kenterte der Drachenflieger.
In der Gefahr, von den Rippen der Konstruktion erdrückt zu
werden, sprang Kreß ins Wasser, kletterte dann auf die gekippte
Gondel und rief den Wächter, der mit einem Boot sich für etwaige
Inglücksfälle bereit halten sollte, um Hilfe. Der Tapfere wagte sich
aber nicht an die treibende Maschine heran, sondern rief erst Leute
vom Ufer herbei, so daß Kreß, den seine Kräfte bald verlassen hatten,
fast ertrunken wäre.
Der Drachenflieger wurde erst nach langem Suchen am anderen
Tage gefunden; der Motor war völlig unversehrt geblieben, das übrige
war nur noch eine unkenntliche Masse von verbogenen Röhren und
Drähten.
Solche Versuche auf dem Wasser geben ein ganz falsches Bild
von dem wirklichen Verhalten in der Luft. Bei dem im Wasser
fahrenden Schlittenboot befindet sich der Stützpunkt unten und der
Schwerpunkt oben, in der Luft aber ist der Stützpunkt oben und
der Schwerpunkt unten.
Gerade diejenigen Einrichtungen, die unter Umständen beim
freien Fluge die Stabilität erhöhen, also alle vertikalen Flächen,
müssen auf dem Wasser das Umkippen bei Windstößen erleichtern.
In Österreich hat man sich sehr bemüht, das für den Neubau
arforderliche Geld zusammenzubringen, um Kreß weitere Versuche
mit seiner Erfindung zu ermöglichen. Diese Bemühungen scheinen
aber bislang fruchtlos gewesen zu sein.
Ebenfalls über einer Wasserfläche hat der amerikanische Professor
Langley seine Versuche angestellt.
Der Anfang März 1906 verstorbene Gelehrte war Leiter des be-
kannten Smithsonian-Instituts zu Washington. Schon 1896 hat
er am Potomakflusse freiliegende Modelle erprobt, von denen »Aerodrom«
Nr.5 und Nr. 6 ein befriedigendes Resultat ergeben haben. Langley