Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

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Zwanzigstes Kapitel. 
Jedenfalls ist der Ballonsport der anregendste aller Sporte, weil 
die Eindrücke auf einer Fahrt so viele sind, und weil es auch einen 
gewissen Reiz hat, nicht zu wissen, wo man die Landung ausführen 
wird. Schon vor der Fahrt werden nach der Richtung des Unter- 
windes und nach dem Zuge der Wolken oder eines Pilotenballons 
alle möglichen Kombinationen angestellt und Pläne für den Abend 
geschmiedet. Aber in den meisten Fällen kommt es bei den Lult- 
schiffern ganz anders, als man gedacht hat. 
Gerade dieser Punkt, der ein Hauptargument der jetzt dem 
Freiballonsport erstehenden Gegner ist, bildet einen sehr großen 
Reiz. Endlich sind die mit Lenkballons erreichbaren Höhen vor- 
läufig so minimal, daß die herrlichen Fahrten über den Wolken 
fast gar nicht vorkommen können. 
Eine stereotype Frage von Laien ist die, ob man im Ballonkorb 
nicht schwindlig wird und wie das Befinden bei rasend schneller 
Fahrt wäre. Es ist nun eine eigentümliche Erscheinung, daß Leute, 
die in hohem Maße auf der Erde an Schwindel leiden, im Korbe 
dieses Gefühl meist völlig verlieren. Es mag dies seinen Grund 
darin haben, daß das Maß der Höhe fortfällt, weil der Korb so klein 
ist und eine Taxe nach ihm nicht möglich ist; das herabgelassene 
Schlepptau scheint die Erde fast zu berühren. 
Ein ehemaliger Offizier, der die Kriege 1866 und 1870/71 mit- 
gemacht hatte, unternahm vor Jahren mit dem Verfasser eine Ballon- 
fahrt auf Grund einer Wette, die ihm wegen seiner Behauptung 
aufgedrängt war, daß jeder Mensch auch gegen die unangenehmsten 
krankhaftesten Gefühle, wie Schwindel, Platzfurcht usw., ankämpfen 
und sie überwinden könne, wenn er nur wolle. Da der Wettende 
aber an hochgradigem Schwindel litt und noch nicht einmal aus 
einem Fenster des ersten Stockwerkes herauszusehen vermochte, 
wurde er beim Wort gehalten und zu einer Fahrt veranlaßt. Nach 
zirka zwei Stunden konnte derselbe schon seinen Sitzplatz in einer 
Ecke des Korbes aufgeben und vorsichtig von der Mitte des Korbes 
aus das Gelände in der Ferne betrachten. Gegen Ende des »Aus- 
Auges« stand er genau so wie jeder andere am Rande der Gondel 
und sah ohne. jedes Angstgefühl direkt nach unten. Auf der Erde 
war jedoch später wieder alles beim alten. 
Von Seekrankheit bleibt man in einem Freiballon völlig ver- 
schont, weil derselbe mit der Windgeschwindigkeit ruhig dahinfliegt. 
Im. Fesselballon ist man dagegen bei starkem Winde je nach 
Naturanlage mehr oder weniger schnell dieser Krankheit ausgesetzt,
	        
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