Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

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Zwanzigstes Kapitel. 
Kompaß konnte bei der Dunkelheit nicht gebraucht werden — fest, 
ob wir unsere nördliche Richtung beibehielten. Da dies häufig nicht 
der Fall war, mußten wir durch Ballastwerfen den Ballon hoch- 
aringen und gingen dann wieder nach Norden. Eine östliche Ten- 
lenz bemerkten wir jetzt gar nicht mehr. 
Zeitweise hatten wir nun auf der Erde Nebel lagern sehen, der 
aber unseren Ausblick wenig hinderte. Bald aber fiel uns auf, daß 
scheinbar in dem weißen Schnee in unregelmäßigen Formen die 
Erde dunkel schimmerte. Herr Berson sprach die Vermutung aus, 
daß es Wolken wären, die unter uns mit anderer Richtung oder 
Geschwindigkeit einherzögen; die dunklen Stellen seien Wolken- 
Löcher, durch die die Erde mit ihren Lichtern auftauche. Da wir 
aber mehrere Male deutlich über (vielleicht auch durch?) diesen 
iveißen Schimmer ein Licht sahen, glaubte er meinen besseren 
Augen und schloß sich der Ansicht an, wir sähen Schnee, und 
die dunklen Stellen wären Ortschaften, in denen derselbe ver- 
schwunden wäre. 
In diesem Irrtum blieben wir aber nicht lange, denn bald 
sahen wir unter uns nichts mehr; die Wolkendecke hatte sich ge- 
schlossen, und Herr Berson hatte leider nur zu recht. 
Eine kurze Beratung erfolgte. In unheimlichr Nähe sahen wir 
im Westen die Leuchttürme blitzen; es waren die Lichter in der 
Bucht von Halmstadt. Östliche Abweichungen hatten wir auf dem 
Lande gar nicht mehr gehabt, dagegen aber um so mehr westliche. 
Wir konnten zwar die ungefähre Stellung des Zeigers unseres 
Aneroidbarometers erkennen, aber was garantierte uns dafür, daß 
wir in der langen Nachtfahrt über den Wolken in den betreffenden 
Höhen immer dieselbe Richtung behalten würden? Wir brauchten 
zar nicht viel nach. Westen abzutreiben, und wir gerieten auf das 
Meer, das wußten wir. Also: den Bogen nicht zu straff spannen, 
nieß es, landen! Eine Weiterfahrt wäre leichtsinnig! 
Wie sehr wir mit unseren Erwägungen recht hatten, und wie 
nötig eine Landung war, hatte die Wetterkarte vom 10. abends 
gezeigt. Aus der Wetterkarte (8 Uhr p. m.) ist ersichtlich, daß in 
Mittelschweden und Südostnorwegen Nordostwind herrschte, in 
Kopenhagen aber und im Kattegat sowie in Jütland Süd- bis Süd- 
astwind. Wir wären also bei einer Weiterfahrt ohne Orientierung 
unfehlbar zunächst in das Kattegat, dann den Skagerrak getrieben, 
dort von den östlichen Winden gefaßt und auf die Nordsee geführt 
worden, falls wir überhaupt so weit gekommen wären.
	        
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