Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

Der Sport in der Luftschiffahrt. 
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Ich setzte mich nun auf einen Ballastsack und fing an, meine 
Renommierpostkarten zu schreiben. Für ähnliche Fälle gestattete 
ich mir eine kurze Beschreibung derselben hier zu geben: Man läßt 
beim Buchbinder die Karten mit ca. 2 m langen Zöpfen aus buntem 
Seidenpapier oder besser auch aus gewöhnlichem roten Band ver- 
sehen und schreibt auf der Vorderseite vor dem Druck das Wort 
>Ballon«, und die Karte ist fertig. 
Es sieht wunderhübsch aus, wenn die Karte mit ihrer roten 
Schlange in graziösen Schwingungen der Tiefe zugeht. Ich kam 
nur zum Auswerfen von zwei Karten, die beide übrigens ihre 
Adressaten pünktlich erreicht haben. 9 Uhr 43 Minuten hatten 
wir 626 mm Druck = ca. 1600 m Seehöhe. Wir waren also 
ca. 400 m in 6 Minuten gefallen, aber immer noch höher als 
20 Minuten vorher. Da die Hornisgrinde, unsere Landmarke, noch 
in demselben Winkel zu uns stand, auch das Geräusch vom Erd- 
ooden herauf noch dasselbe war, so konnten wir daraus schließen, 
daß wir im Luftozean immer noch unbeweglich über der Stadt 
standen. 
Wenn man den Flug des Luftschiffers kühn und schnell zu 
nennen gewohnt ist, so konnten wir diesmal den unsrigen pomadig 
aınd außergewöhnlich beschaulich nennen. Ich fand, daß es direkt 
gemütlich wurde, und da jetzt nichts näher lag, als an unseren 
jrächtigen Frühstückskorb zu denken, welcher eine Fülle von Humor 
ın des Wortes bester Bedeutung barg — wenn »Humor« eben 
»Flüssigkeit« heißt — so schlug ich vor, die Zeit während der auf- 
gezwungenen Muße durch Frühstücken passend auszufüllen. Um 
ungestörter den Inhalt des feuchten Korbes prüfen zu können, bat 
ich, noch etwas Ballast vorher zu werfen. Das Wort »Ballast« 
wirkte unwillkürlich unangenehm, da wir eigentlich bereits genügend 
geworfen hatten. Doch dieses Bedauern wurde zum Verdruß, als 
ler Führer plötzlich sehr bestimmt sagte: »Wir müssen landen«; 
da half kein noch so gut gemeinter Protest! 
Ein Blick auf das Barometer — es war kurz nach 10 Uhr — 
lehrte, daß wir uns sogar rapid abwärts bewegten, wobei ich be- 
merke, daß die Ventilleine überhaupt noch nicht berührt worden 
war. Der Zeiger des Aneroids lief so schnell wie der Sekunden- 
zeiger einer Uhr wieder nach vorwärts. Jeder der dichtgedrängten 
Teilstriche 11 m Fall! Die an einen Stock gebundene und außer- 
halb des Ballons hängende Flaumfeder — ein vorzügliches Hilfs- 
mittel, Fallen oder Steigen sofort zu bemerken — stand kerzengerade
	        
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