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Sechsundzwanzigstes Kapitel.
gleichen Bedingungen eintraten, deren Grund zunächst nicht er-
mittelt werden konnte.
Es stellte sich aber bald heraus, daß die veränderte Fahrtzeit
der Ballons daran schuld war. Früher gingen dieselben meist in
den Morgenstunden ab, und die Tauben wurden dementsprechend
gegen Mittag aufgelassen; später aber erfolgten die Aufstiege erst
zwischen 12 und 1 Uhr mittags und der Abflug der Tiere in den
späteren Nachmittagstunden. Die sich nach dem Stande der Sonne
richtenden Tauben verfehlten daher ihr Ziel.
Sehr wesentlich verbessert man die Resultate durch eine be-
sondere Ballondressur. Vor allen Dingen muß man die Tiere daran
gewöhnen, möglichst schnell aus den Wolken zur Erde zu stoßen.
Zu diesem Zwecke nimmt man sie in der Nähe ihres Schlages bei
entsprechender Witterung in einem Fesselballon zunächst bis etwas
über den unteren Rand der Wolken hoch und läßt sie hier fliegen
in einem Augenblicke, in dem die Erde sichtbar ist. Demnächst
geht man in die Wolken und zuletzt über dieselben.
Die Tauben scheuen sich sehr, von oben in das Nebelmeer
hineinzustoßen. Der Anblick desselben von oben ist ihnen etwas
völlig Neues und macht sie verwirrt. Lange Zeit kreisen sie umher
und können zu keinem Entschluß kommen; erst wenn sie sehr er-
mattet sind, gehen sie notgedrungen herunter. Bei einer Wieder-
holung dieses Verfahrens werden sie schon gewitzigter; binnen
kurzer Zeit erscheinen sie wieder in ihrem Schlage.
Meist werden heutzutage die auf dünnes Pflanzenpapier ge-
schriebenen Nachrichten in Gummihülsen gesteckt, die man an den
Füßen der Tauben befestigt. Man hat auch längere Aluminium-
gehälter oder Federspulen angewandt, die unter einer Schwungfeder
angebracht waren.
Auch ganze Photogramme befördert man mit ihnen, wenn es
sich darum handelt, z. B. aus einer belagerten Stadt über die feind-
lichen Stellungen zu fliegen und ein Bild der Batterien, Lage der
Unterstände usw. den Belagerten zu übermitteln.
Versuche in dieser Richtung wurden schon im September 1889
von der Kaiserlich Technischen Gesellschaft in St. Petersburg an-
gestellt. Der Chef der Luftschiffer-Abteilung, Kowanko, stieg mit
einem Ingenieuroffizier und zwei Professoren auf und fertigte Photo-
ygramme auf Häutchen nach dem nassen Verfahren an. Die Nega-
tive wurden im Ballonkorbe in einer primitiven Dunkelkammer ent-