Die Theorie des Ballonfahrens und die Luftnavigation. 51
10m pro Sekunde Eigengeschwindigkeit besitzt, in Deutschland an
90 von 100 Tagen mit Erfolg aufzusteigen vermag, vorausgesetzt,
daß er sich in den Luftschichten dicht über der Erde hält. Da aber
ein Luftschiff sich häufiger in Höhen von 500 bis 1000 m halten muß,
so hat Aßmann aus 12146 Beobachtungen seines aeronautischen
Observatoriums noch eine Höhenwindstatistik aufgestellt, die un-
günstiger lautet, weil die Windstärke mit der Höhe zunimmt. Danach
zann ein Ballon mit der angegebenen Geschwindigkeit von 10 m
pro Sekunde in der Höhe von 500 m nur in 65%, in 1000 m in
50%, in 15 m in 55% in 2000 m in 48 % aller Fälle Fahrten unter-
nehmen. Die Werte gelten streng genommen nur für die Pro-
vinz Brandenburg. Geheimrat Aßmann hat sich dieser mühseligen
and zeitraubenden Feststellung unterzogen in seiner Eigenschaft
als Vorsitzender der technischen Kommission der auf Veranlas-
sung des Kaisers ins Leben gerufenen Motorluftschiff-Studiengesell-
schaft.
in bezug auf die Fortbewegung eines Ballons im Winde herrschen
in Laienkreisen noch die größten Unklarheiten. Beispielsweise wird
die Ansicht häufig ausgesprochen, ein Luftschiff müsse, genau mit
dem Winde fahrend, die Strecke, die es vorher gegen den Wind
gefahren wäre, wieder einbringen. Ein Beispiel soll die herrschen-
den Verhältnisse erläutern. Ein Luftschiff mit 10 m pro Sekunde
Kigenbewegung soll bei Windstille den 180 km betragenden Weg
vom Orte A nach B hin und zurück durchmessen. Da es 10m in
1 Sek. fährt, legt es 180000 m in 18000 Sek., also in 5 Std. zurück,
demnach braucht es von A nach B und wieder von B nach A im
ganzen 10 Std. Nun soll dasselbe Luftschiff denselben Weg fahren
bei einem genau von A nach B mit einer Geschwindigkeit von 5 m
pro Sekunde wehenden Winde. Demnach legt es von A nach B in
einer Sekunde zurück 10 m durch eigene Kraft + 5 m durch Wind-
versetzung, also 15 m pro Sekunde; 180000 m demnach jetzt in nur
12000 Sek., also in 3 Std. 20 Min. Von B nach A dagegen be-
;rägt die Schnelligkeit nur 10 bis 5 (Eigenbewegung minus Windver-
setzung) = 5 m pro Sekunde. 180000 m werden demnach in
36000 Sek. = 10 Std. durchmessen. Während also bei Windstille
der Weg von A nach B und B nach A in 10 Std. durchflogen wird,
oraucht der Ballon bei einem Winde von 5m pro Sekunde 13 Std.
und 20 Min.
Je stärker der Wind ist, desto ungünstiger werden die Verhält-
nisse, wie man leicht aus Beispielen ersehen kann.