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Lehrpläne und Lehrbetrieb.
modern gerichteten Menschen zu machen, die einerseits geschichtlich
ınd ästhetisch geschult und andererseits doch auf die praktischen
Aufgaben der Gegenwart vorbereitet und gerichtet seien. Wenn nun
auch die Anzahl derer, welche auf die einheitliche Form für das ge-
samte höhere Schulwesen drangen, verhältnismäßig beschränkt blieb,
5o gewann um so weiteren Anklang das Verlangen, daß die Scheidung
der Bildungswege, da sie nun einmal unvermeidlich schien, wenigstens
möglichst spät eintreten sollte. Der gemeinsame Unterbau für die
gesamte Schulbildung, die die Volksschule und die ihr entsprechenden
Elementarschulen bildeten, sollte weiter hinaufgeführt werden und
mindestens die ersten Schuljahre hindurch der Lehrkursus für alle
Arten von Anstalten derselbe sein. Dies war allerdings nicht erreich-
Dar, solange das Lateinische auf Gymnasien und Realschulen erster
Ordnung die erste fremde Sprache bildete, die in den Unterricht
aintrat, während es auf den Lehrplänen der übrigen realistischen An-
stalten nicht‘ vertreten war.
Dies sind die wichtigsten der gegensätzlichen Stimmen, die aus
dem allgemeinen Schulkampfe mit Deutlichkeit hervortreten. Der
Streit zwischen ihnen hat nahezu ein Menschenalter hin und her gewogt
und allmählich alle gebildeten Stände und Klassen in das Interesse
gezogen. Erst durch die Ereignisse der letzten Jahre ist er zu einer
Art von Abschluß gekommen, der eine gedeihliche Weiterentwicklung
unseres Schulwesens nach einer bestimmten Richtung hin voraus-
sehen läßt.
Die erste Etappe in diesem Schulstreite bildete die Neuordnung
der preußischen Lehrpläne im Jahre 1882, die unter dem Ministerium
Goßler hauptsächlich durch Bonitz durchgeführt wurde. Sie erfüllte
weder die Forderung der Einheitsschule, noch führte sie auch nur
den gemeinsamen Unterbau durch, und doch bewegte sie sich deut-
lich in einer unitarischen Richtung. Sie ließ die vorhandenen Schul-
arten bestehen, suchte aber die Charakterunterschiede nach Möglich-
keit auszugleichen: einerseits verstärkte sie auf den Gymnasien Mathe-
matik und Naturwissenschaften beträchtlich und vermehrte auch die
Stundenzahl für das Französische, beides auf Kosten der alten Sprachen;
andererseits erweiterte sie die lateinischen Studien auf den Realschulen
erster Ordnung. Diese erhielten nun sämtlich die Bezeichnung
Realgymnasien, — auch hierin kommt die Tendenz der Neuordnung
zum Ausdruck, -— während die lateinlose Realschule zweiter Ordnung
von nun an Oberrealschule hieß und der Name Realschule allmäh-
lich auf die sechsklassige höhere Bürgerschule übertragen wurde. Der