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wenn bei der Ausführung nicht überall der rechte Weg eingeschlagen
sein sollte. Auch das darf man sagen: es ist ein Versuch, die
Gelehrtenbildung und die Volksbildung einander näher zu bringen,
und auch dies Bestreben verdient Anerkennung.“ Anzuerkennen ist
endlich, so dürfen wir hinzufügen, das Bestreben, auf die Methode des
Unterrichts. einzuwirken und durch die Verbesserung derselben eine
Zeitersparnis herbeizuführen, die der Arbeit selbst und der Gesundheit
der Schüler zu gute kommen muß.
Die Bedeutung der Reform zeigte sich schon darin, daß fast
sämtliche deutsche Staaten sich veranlaßt sahen, im Laufe der nächsten
Jahre ihr Schulwesen ebenfalls zu revidieren, und daß die entstandenen
neuen Schulordnungen sich überall mehr oder weniger dem Geiste
des preußischen Lehrplans annäherten. Am entschiedentsten war das
in Norddeutschland der Fall; Bayern und Württemberg gaben, wie
auch Baden, dem Gedanken der neuhumanistischen Bildung nach wie
vor einen weiteren Raum. Dennoch zeigt sich auch hier eine deut-
liche Verschiebung der Ziele zugunsten der modernen Anschauung.
Brachte somit die neue Lehrordnung eine Reihe von Fortschritten,
bahnt sie den Übergang zu einer neuen und moderneren Gestaltung des
höheren Schulwesens an, so zeigte sich doch, daß sie im allgemeinen
wenig Zustimmung fand und keineswegs dazu beitrug, den Streit, der
sich um die Schulbildung erhoben hatte, zu beschwichtigen. Bald
trat auch hervor, daß die Leistungen der Schüler, trotz der Bemühungen
uım die Methode, eher zurückgingen als zunahmen. Die Unzufriedenheit
ergriff denn auch die Kreise der Lehrerschaft, welche die neuen
Bestimmungen durchführen sollten. Man wird von der Schuld dieser
unerfreulichen Ergebnisse die Lehrpläne selbst nicht durchaus frei-
sprechen können; sie wiesen, wie das ja bei solchen Übergangs-
erscheinungen begreiflich ist, mancherlei Widersprüche auf, sie ver-
mieden es, der Entwicklung ihr neues Ziel mit voller Schärfe vorzu-
schreiben, den Charakter der einzelnen Anstalten deutlich zu kenn-
zeichnen, und brachten dadurch mancherlei Verwirrung hervor. Allein
der eigentliche und wesentliche Grund, der eine gedeihliche Wirkung
verhinderte und die Unzufriedenheit erregte, lag außerhalb der sach-
lichen Bestimmungen für den Unterricht, außerhalb der Lehrpläne und
Lehraufgaben der höheren Schulen. Es war der, daß das Berech-
tigungswesen in der Hauptsache beim alten gelassen war, daß ins-
besondere die Vorrechte des humanistischen Gymnasiums gegenüber
dem Realgymnasium unberührt geblieben waren. Immer deutlicher
stellte es sich heraus. daß diese Vorrechte, ganz abgesehen von den
Lehrpläne und Lehrbetrieb.