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Die Lehrpläne.
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meinsamen. Unterbau für alle höheren Schulen führte, Für die
kleineren Gemeinden ergäbe sich daraus der Vorteil, daß sie mit
ainer Realschule allen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung entsprechen
könnten und nicht wie jetzt genötigt wären, stets das Gymnasium
und seine Ansprüche im Auge zu halten. Erst hierdurch würde die
Realschulbildung mit ihrem geschlossenen modernen Charakter tat-
sächlich zur herrschenden Bildungsform in unserem Mittelstande
werden, aus der die Vollanstalten organisch hervorwachsen könnten.
Ist schon dieser letzte Gesichtspunkt mehr innerlicher und päda-
sogischer Art, so bietet nun das System der Reformanstalten auch
'm einzelnen wesentliche erzieherische Vorzüge, vor allen den, daß
„ach dem Frankfurter System die drei Sprachen, durch weitere
Zwischenräume getrennt, in den Gesichts- und Arbeitskreis des
Schülers eintreten, als nach der überlieferten Lehrverfassung, und
jaß den Knaben daher mehr Zeit bleibt, sich in die einzelnen
Sprachen einzuleben und mit ihrem Charakter vertraut zu werden.
Das kommt zunächst dem Französischen zugute, das auf den alten
humanistischen Gymnasien trotz aller pädagogischen Bemühungen
ıicht gedeihen will noch kann, weil es an keiner einzigen Stelle des
Lehrplans in den Mittelpunkt des Sprachstudiums tritt, sondern
'mmer nur als zweite oder dritte Sprache erscheint. Wenn nun aber
an den Reformanstalten das Latein, wie das Französische auf den
ılten Gymnasien, als die zeitlich zweite Sprache in den Lehrplan ein-
tritt, so fällt ihm darum doch nicht die zweite Stellung zu. Die Ein-
wände, welche die Anhänger des überlieferten Lehrplans auf Grund
Jieser Tatsachen erheben, erscheinen ziemlich hinfällig. Denn in den
mittleren Klassen wird die sprachliche Arbeit der Schüler fast aus-
schließlich dem Lateinischen zugewendet. Zudem wird man dem ver-
dienten Leiter des Goethegymnasiums, der zur Zeit auch literarisch der
Hauptverfechter der neuen Richtung ist, recht geben müssen, wenn er
zagt:*) „Der Untertertianer tritt mit einer ganz anderen Vorbereitung,
nit einer gründlicheren sprachlichen und allgemeinen Bildung, mit einer
zereifteren Kraft des Verstandes und des Wollens an das Lateinische,
als der Sextaner, und er kann daher die Elemente der Sprache in
viel kürzerer Zeit bewältigen. So ist es möglich, nach einjähriger
Vorarbeit in die Lektüre Cäsars mit gutem Erfolg einzutreten. Beim
Übergang in die Untersekunda sind nach der bisherigen Erfahrung
*) Carl Reinhardt, Die Reformanstalten, in: Die Reform der höheren Schulen,
< 3928 ff.