Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

. 
Die Lehrpläne. 
107 
meinsamen. Unterbau für alle höheren Schulen führte, Für die 
kleineren Gemeinden ergäbe sich daraus der Vorteil, daß sie mit 
ainer Realschule allen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung entsprechen 
könnten und nicht wie jetzt genötigt wären, stets das Gymnasium 
und seine Ansprüche im Auge zu halten. Erst hierdurch würde die 
Realschulbildung mit ihrem geschlossenen modernen Charakter tat- 
sächlich zur herrschenden Bildungsform in unserem Mittelstande 
werden, aus der die Vollanstalten organisch hervorwachsen könnten. 
Ist schon dieser letzte Gesichtspunkt mehr innerlicher und päda- 
sogischer Art, so bietet nun das System der Reformanstalten auch 
'm einzelnen wesentliche erzieherische Vorzüge, vor allen den, daß 
„ach dem Frankfurter System die drei Sprachen, durch weitere 
Zwischenräume getrennt, in den Gesichts- und Arbeitskreis des 
Schülers eintreten, als nach der überlieferten Lehrverfassung, und 
jaß den Knaben daher mehr Zeit bleibt, sich in die einzelnen 
Sprachen einzuleben und mit ihrem Charakter vertraut zu werden. 
Das kommt zunächst dem Französischen zugute, das auf den alten 
humanistischen Gymnasien trotz aller pädagogischen Bemühungen 
ıicht gedeihen will noch kann, weil es an keiner einzigen Stelle des 
Lehrplans in den Mittelpunkt des Sprachstudiums tritt, sondern 
'mmer nur als zweite oder dritte Sprache erscheint. Wenn nun aber 
an den Reformanstalten das Latein, wie das Französische auf den 
ılten Gymnasien, als die zeitlich zweite Sprache in den Lehrplan ein- 
tritt, so fällt ihm darum doch nicht die zweite Stellung zu. Die Ein- 
wände, welche die Anhänger des überlieferten Lehrplans auf Grund 
Jieser Tatsachen erheben, erscheinen ziemlich hinfällig. Denn in den 
mittleren Klassen wird die sprachliche Arbeit der Schüler fast aus- 
schließlich dem Lateinischen zugewendet. Zudem wird man dem ver- 
dienten Leiter des Goethegymnasiums, der zur Zeit auch literarisch der 
Hauptverfechter der neuen Richtung ist, recht geben müssen, wenn er 
zagt:*) „Der Untertertianer tritt mit einer ganz anderen Vorbereitung, 
nit einer gründlicheren sprachlichen und allgemeinen Bildung, mit einer 
zereifteren Kraft des Verstandes und des Wollens an das Lateinische, 
als der Sextaner, und er kann daher die Elemente der Sprache in 
viel kürzerer Zeit bewältigen. So ist es möglich, nach einjähriger 
Vorarbeit in die Lektüre Cäsars mit gutem Erfolg einzutreten. Beim 
Übergang in die Untersekunda sind nach der bisherigen Erfahrung 
*) Carl Reinhardt, Die Reformanstalten, in: Die Reform der höheren Schulen, 
< 3928 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.