Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Lehrpläne und Lehrbetrieb. 
2. Deutsch. 
Allgemeines Lehrziel. Fertigkeit im richtigen mündlichen 
und schriftlichen Gebrauche der Muttersprache, Bekanntschaft mit den 
wichtigsten Abschnitten der Geschichte unserer Literatur an der Hand 
des Gelesenen und Belebung des vaterländischen Sinnes, insbesondere 
durch Einführung in die germanische Sagenwelt und in die für die 
Schule bedeutsamsten Meisterwerke unserer Literatur. 
Das humanistische Gymnasium erwartete früher von der Lektüre 
der antiken Klassiker jene Wirkung auf das Verständnis und die Ge- 
sinnung seiner Schüler, die der selbsterarbeitete Anblick großer Vor- 
dilder, die ausdauernde Versenkung in eine Welt erhabener Kultur 
erwecken kann. Die Zeit jener höchsten erzieherischen Wirkung der 
Antike ist, wir haben das oben feststellen müssen, vorüber. Nirgends 
aber finden wir einen lebendigen Ersatz näher und natürlicher, nir- 
gends wirkungsvoller, als in unserer klassischen Literatur. Naheliegend 
und natürlich zunächst, weil es eben die Muttersprache und ihr 
Schrifttum ist, das unseren Kindern hier erschlossen wird: unter allen 
einzelnen Aufgaben des humanistischen Unterrichts stets die wich- 
tigste und dringendste. Ein Ersatz aber ist dieser Unterricht auch 
darum, weil er, wie das einst die klassische Lektüre getan hat, zu- 
gleich das Verständnis für den Wert und die Entwicklung der all- 
gemeinen Geisteskultur eröffnet, in der die Gegenwart steht. Denn 
alle moderne Kultur ist zunächst aus dem Christentum, sodann aber 
aus der Renaissance und somit indirekt aus dem Altertum hervor- 
gegangen, wie unsere klassische Literatur selbst. Daher eröffnet das 
Verständnis für diese zugleich den Einblick in den weltgeschichtlichen 
Zusammenhang, in dem die Bildung unseres Volkes und unserer Jugend 
steht, und schafft ein Verständnis für die geschichtlich begründete 
Kulturgemeinschaft, welche die großen europäischen Nationen mit- 
sinander verbindet. 
Die grammatische Unterweisung in der Muttersprache hat 
lie Aufgabe, dem Schüler einen sicheren Maßstab für die Beurteilung 
des eigenen und fremden Ausdrucks zu bieten, ihn auch noch später 
.n Fällen des Zweifels zu leiten und ihm einen Einblick in die Eigenart 
ınd die Entwicklung seiner Muttersprache zu geben. Diese Unter- 
weisung soll aber auf das notwendigste beschränkt bleiben, sich 
immer an bestimmte und mustergültige Beispiele anlehnen und in 
der Weise fortschreiten, daß Neues und Schwieriges in immer er- 
weiterten Kreisen an früher erworbene Kenntnisse anknüpft. So wird
	        
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