Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Die einzelnen Unterrichtsfächer. 123 
heute nicht mehr wie damals ein tiefgreifender grundsätzlicher Unter- 
schied, sondern nur eine quantitative Verschiedenheit. Die gesonderte 
zrammatische Unterweisung wird im Realgymnasium bereits im dritt- 
letzten Schuljahre auf eine wöchentliche Unterrichtsstunde beschränkt; 
in den beiden letzten Jahren hat sie gar keine eigene Stunde mehr, 
und nur wo ihre Behandlung bei der Lektüre notwendig ist, wird sie 
berücksichtigt. Aber auch auf den humanistischen Anstalten ist das Ziel, 
Jas die oberen Klassen in zwei Wochenstunden erreichen sollen, nur 
‚Sicherung und maßvolle Erweiterung des grammatischen Wissens; 
stilistische Eigentümlichkeiten sind in Beschränkung auf das besonders 
charakteristische und feststehende zu behandeln“. Die selbständige 
Beherrschung der lateinischen Sprache, das Schreiben- und Sprechen- 
'zönnen, das frühere Ziel der alten Gelehrtenschule, ist vollständig auf- 
zegeben. Zwar werden für alle Stufen des humanistischen Gym- 
nasiums und auf den Realanstalten wenigstens bis zur Untersekunda 
schriftliche Übersetzungen ins Lateinische vorgeschrieben, aber sie 
sollen sich an die Lektüre anschließen und zum ‚wesentlichen Teil 
nur eine Durch- und Umarbeitung des Gelesenen darstellen. Sie sollen 
auch auf der obersten Stufe noch einfach gehalten sein, wenn sie 
auch immerhin an die Denktätigkeit solche Ansprüche stellen, 
„daß sie als selbständige Leistungen, nicht als bloße Gedächtnis- 
übungen gelten können“. Übersetzungen in das Deutsche sind von 
Quarta ab vorgesehen. Aber für das humanistische Gymnasium treten 
sie hinter der umgekehrten Übung zurück — hier wird hauptsächlich aus 
dem Griechischen übersetzt —, während sie auf dem Realgymnasium 
‚on Obersekunda an die Regel bilden. 
Die Grundlegung und der Fortgang des grammatischen Unter- 
richts ist systematisch, im Gegensatz zu den neueren Sprachen, wo 
vielfach induktiv und praktisch verfahren wird. Die beiden untersten 
Klassen haben auf allen Anstalten gleichmäßig die regelmäßige und 
unregelmäßige Formenlehre und die notwendigsten syntaktischen Re- 
yeln einzuprägen. Hieran schließt sich auf der mittleren Stufe die 
systematische Einübung der weiter notwendigen syntaktischen Regeln 
an, und in den oberen drei Klassen fällt dem Gymnasium, wie bereits 
»emerkt, eine in ziemlich engen Grenzen gehaltene Behandlung der 
stilistischen Eigentümlichkeiten zu, während das Realgymnasium auf 
»loße Wiederholungen beschränkt ist. 
Für das Verhältnis der Grammatik zur Lektüre ist die folgende 
Vorschrift der preußischen Lehrpläne charakteristisch: ‚„Grammatische 
Erläuterungen sind nur anzustellen, soweit sie zur Herbeiführung
	        
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