Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Lehrpläne und Lehrbetrieb, 
gesehen. Aber es findet hier weder in analytischer noch in so- 
genannter neuerer Geometrie ein eigentlich systematischer Unter- 
richt statt; ebensowenig wird zum Verständnis der mathematischen 
Erd- und Himmelskunde eine eingehende Behandlung der sphärischen 
Trigonometrie für erforderlich erachtet, da die nötigen Formeln sich 
in einfacher Weise bei der Behandlung der dreiseitigen Ecke ab- 
leiten Jassen. Jedenfalls ist hier wie überall darauf zu achten, daß 
neben der Sicherheit der Kenntnisse Gewandtheit in deren An- 
wendung zu erstreben ist, und daß dieser Gesichtspunkt bei der Aus- 
wahl und Ausdehnung des Lehrstoffes maßgebend sein muß. 
In der obersten Klasse wird auf den verschiedenen Lehr- 
gebieten neben der fortgesetzten Übung im Lösen von Aufgaben eine 
zusammenfassende Rückschau auf den erledigten Lehrstoff angestrebt, 
Dabei bietet sich Gelegenheit, den Schülern ein eingehendes Ver- 
ständnis des Funktionsbegriffes, mit dem sie schon auf früheren 
Stufen bekannt geworden sind, zu erschließen. 
Dem Übelstande, daß der Unterricht auf der Oberstufe einen 
zu ausschließlich rechnerischen Charakter annımmt, soll durch Fort- 
setzung der Übungen in geometrischer Anschauung und Konstruktion 
gesteuert werden. Besonders wird im stereometrischen Unterrichte, 
ganz abgesehen von dem Betriebe der darstellenden Geometrie, 
das Verständnis projektivischen Zeichnens vorbereitet und unterstützt. — 
Im ganzen hat sich in den letzten Jahrzehnten in den be- 
:eiligten Kreisen eine steigende Bewegung geltend gemacht, die 
darauf abzielt, den mathematischen Unterricht enger an den natur- 
wissenschaftlichen anzuknüpfen. Als Ursache führt einer der hervor- 
‚agendsten Vertreter der wissenschaftlichen Mathematik, F. Klein*), 
in doppeltes an: einmal an den Schulen selbst das Erstarken des 
naturwissenschaftlichen Interesses, insbesondere der Physik, und weiter- 
hin die steigende Wichtigkeit der Technik und das praktische In- 
teresse der Ingenieure. Einen charakteristischen Ausdruck hat dieses 
Bestreben bereits im Jahre 1891 in einem Beschlusse des „Vereins 
zur Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts“ 
gefunden, der auf der Jahresversammlung in Braunschweig gefaßt 
wurde und folgendermaßen lautet: „Die Schüler der höheren Lehr- 
anstalten sind im allgemeinen noch zu wenig imstande, das Mathe- 
matische in den sich ihnen im Leben darbietenden Erscheinungen zu 
erkennen, und zwar ist die Ursache davon vorzugsweise in dem Um- 
*) Die Reform der höheren Schulen, Seite 261.
	        
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