Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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m Laufe der letzten 50 Jahre durchgesetzt hat. Im Linearzeichnen 
:;reten zwei praktisch getrennte Stufen hervor. An den Realschulen 
ınd in den beiden ersten Jahren des Unterrichts an den Vollanstalten 
wird der Hauptnachdruck auf die Lösung praktischer Aufgaben, d. h. 
auf das geometrische Darstellen einfacher Modelle, Geräte, Gebäude- 
teile usw. gelegt; auf der oberen Stufe wird das geometrische und 
serspektivische Zeichnen einschließlich der Schattenkonstruktion weiter 
ıusgebildet. 
Zweitens ist nun aber charakteristisch die Tendenz und die 
Methode des künstlerischen Freihandzeichnens. Das heute Geltende 
hat sich erst seit kurzer Zeit, etwa seit anderthalb Jahrzehnten, durch 
die reformatorischen Bemühungen einer Anzahl von künstlerisch ge- 
;ichteten Pädagogen durchgesetzt, und es sind dabei amerikanische 
and englische Vorbilder von entscheidendem Einfluß gewesen. Die 
leitenden Gesichtspunkte werden in den Lehrplänen folgendermaßen 
bestimmt: Das Auffassungsvermögen und die Beobachtungsgabe der 
Schüler sollen entwickelt, ihre Hand zu einer freien und sicheren 
Linienführung befähigt, ihrem natürlichen Gestaltungstriebe Gelegen- 
heit zur Betätigung gegeben werden. Durch Übungen im Skizzieren 
und im Zeichnen aus dem Gedächtnis sollen die Schüler lernen, die 
charakteristischen Eigenschaften eines Gegenstandes rasch zu erfassen 
ınd in klaren Vorstellungen zu gestalten. 
„Um zu dem gesteckten Ziele zu gelangen“, sagt L. Pallat, 
ainer der Führer der modernen Bewegung, (Die Reform der höheren 
Schulen, S. 309) „verlangt der neue Lehrplan, daß das Zeichnen 
aach wirklichen Gegenständen und nach der Natur vom Beginne des 
Zeichenunterrichts in Quinta ab durch alle Klassen betrieben werde. 
Er fordert ferner, daß nicht nur der Formen-, sondern auch der 
Farbensinn der Schüler entwickelt werde, und zwar nicht nur durch 
‚heoretische Belehrung, sondern durch praktische Übungen in der 
aınmittelbaren Wiedergabe von Farben der Natur. Weiter sind für 
alle Klassen Übungen im Skizzieren und im Zeichnen aus dem Ge- 
dächtnis vorgeschrieben. Durch diese Übungen soll der Schüler von 
vornherein das Wesentliche der Erscheinung eines Gegenstandes mit 
raschem Blick erfassen lernen und sich zu dauerndem Besitze ein- 
prägen. Seine Zeichnung soll dartun, daß er das Charakteristische 
eines Gegenstandes, z. B. eines Eis, eines Reifens, eines Natur- 
olattes, eines Schmetterlings, einer Vase, einer Frucht usw. klar in 
sich aufgenommen hat. Auch bei der zeichnerischen Darstellung 
soll in jedem Stadium der Ausführung das Ganze des nachzu- 
Die einzelnen Unterrichtsfächer. 
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