Die deutschen Kadettenkorps.
II. Das Königlich Bayerische Kadettenkorps.*)
Im Jahre 1756 ins Leben gerufen und nach mannigfachen Wand-
lungen im Jahre 1805 neubegründet, wurde die Anstalt im Laufe des
19. Jahrhunderts allmählich, u. a. durch Abtrennung der‘ Artillerie-
und Genie-Schule im Jahre 1857 und durch Beseitigung des militär-
wissenschaftlichen Unterrichts im Jahre 1868, zu einer höheren Lehr-
anstalt von allgemeinbildendem Charakter umgebildet; im Jahre 1884
wurde die Schulordnung für die bayerischen Realgymnasien endgültig
auf das Kadettenkorps übertragen, nachdem an der Anstalt eine Zeit-
lang auch der griechische Unterricht üblich gewesen war. Der
wissenschaftliche Unterricht schließt nunmehr gleich dem des Real-
gymnasiums unmittelbar an die dritte Klasse des humanistischen
Gymnasiums an und umfaßt 6 Jahreskurse, von denen die I (unterste
Klasse) der vierten, die VI (oberste) Klasse der neunten des Real-
gymnasiums entspricht.
Die Anstalt, früher näher an der Altstadt, an der Stelle des
heutigen Justizpalastes gelegen, wurde im Jahre 1893 in einen
prächtigen Neubau auf dem Marsfelde verlegt, wo sie mit der Kriegs-
akademie und der Kriegsschule zusammen einen gewaltigen Gebäude-
komplex von militärischer Bestimmung bildet. Mit diesen beiden
und den anderen Militärbildungsinstituten zusammen untersteht das
Kadettenkorps der seit 1866 bestehenden Inspektion der Militär-
bildungsanstalten. Die zurzeit gültigen Aufnahmebestimmungen des
Kadettenkorps sind enthalten in der „Dienstordnung des Königlich
Bayerischen Kadettenkorps‘“ vom 16. Juli 1897; nach $ 3 dieser Be-
stimmungen können in die den ganzen Pensionsbetrag zahlenden Stellen
Söhne deutscher Staatsbürger aller Klassen aufgenommen werden.
Der Personalbestand des Kadettenkorps ist etatsmäßig zurzeit
der folgende:
I. Offiziere: 1 Kommandeur, 2 Hauptleute als Kompagniechefs,
Adjutant und 8 Leutnants als Erzieher,
II. Professoren und Lehrer: 1 Studieninspektor, 12 Gymnasial-
orofessoren bezw. Gymnasiallehrer, 3 Zivilerzieher,
Ill. Zöglinge: 210 (darunter solche mit vollem Kostgeld von
300 M. und andere mit Einviertel- bezw. mit Halb-, mit Dreiviertel-
und mit Voll-Freistellen, dazu ev. einige Ausländer).
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*) F. Teicher, Das Königlich Bayerische Kadettenkorps von seiner Gründung bis
zur Gegenwart. Zweite Auflage. München, Th. Ackermann, 1900; daneben behält noch
ihren Wert die ältere Arbeit von A. von Schoenhueb, Geschichte des königlich bayerischen
Kadettenkorps. Aus Originalquellen. München 1856.