Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Das Mädchenschulwesen. 
nischen Psalter anschloß und dann zu den übrigen biblischen Büchern 
iberging, Schreiben,!) ein wenig Grammatik und "weibliche Arbeiten 
die einzigen Fächer waren, die in den Frauenklöstern gelehrt wurden, 
hob sich die geistliche Frauenbildung im 10. Jahrhundert auf eine 
bis dahin nicht erreichte Höhe. Es waren die sächsischen Klöster, 
in denen sich dieser Aufschwung vollzog; an ihre Spitze trat Her- 
ford und später Gandersheim. Die berühmte literarische Tätigkeit 
ler Hrotsuith beweist, welche Gelehrsamkeit in der Klosterschule 
von Gandersheim heimisch war. Hier las man lateinische Dichter, 
cricb Dialektik, Musik, Arithmetik und die übrigen Fächer des Tri- 
ziums und Quadriviums. Aber auch in anderen Gegenden des Reichs 
arreichten die wissenschaftlichen Leistungen der Frauenklöster nahezu 
die der Mönche. Im 10. Jahrhundert hören wir von der ge- 
lehrten Hazecha von Quedlinburg, im 12. Jahrhundert von 
der heiligen Hildegard, deren Offenbarungen selbst Päpste und 
Kaiser Gehör schenkten, und Herrad von Landsberg, unter der die 
Studien des Klosters Odilienberg blühten. Ein ebenso bemerkens- 
werter Beweis für die tüchtige wissenschaftliche Bildung, die man in 
Frauenklöstern gewinnen konnte, ist wohl auch darin zu sehen, daß 
man den sächsischen Frauenklöstern im 10. und 11. Jahrhundert 
Knaben anvertraute, die dort zum geistlichen Stande erzogen wurden. 
Der Unterricht lag meist in den Händen der Nonnen selbst; selten 
zog man die Mönche aus einem benachbarten Kloster dazu heran. 
Die Zucht war nach den Bestimmungen der erwähnten institutio 
sanctimonialium außerordentlich streng; körperliche Strafen waren 
durchaus nicht ausgeschlossen. 
Was bisher von der Bildung der Frauen im Kloster gesagt 
worden ist, bezieht sich nur auf die Nonnen, d. h. diejenigen, die ihr 
ganzes Leben im Kloster verbringen wollten; aber auch die Bildung 
der Laientöchter wurde mehr und mehr von den Klöstern in die 
Hand genommen. Freilich hatte Karl der Große, als er. den großen 
Gedanken einer allgemeinen Laienbildung allmählich zu verwirklichen 
oemüht war, zunächst nur an die Knaben gedacht; in dem Kapitular 
von 813 z. B., durch das die unterrichtlichen Aufgaben der Kirche 
den Laien gegenüber festgesetzt wurden, wurden ausdrücklich nur 
lie Knaben zum Schulbesuch verpflichtet unter der Voraussetzung, 
1) Daß es die Nonnen schon damals zu einer gewissen Fertigkeit im Lesen und 
Schreiben brachten, zeigt das 789 erlassene Verbot, ihre Fertigkeit zu gegenseitiger Mit- 
‚eilung weltlicher Liebeslieder zu benutzen.
	        
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