Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

sten 
S1e 
1n- 
inen 
nhre 
‚hen 
ung 
1m 
:hen 
yurg 
ant- 
‚nen 
alen 
kals 
7on 
nıt 
Je - 
ulge 
and 
an 
jung 
ttel- 
der 
Zu 
rten, 
„gtum 
‚mel 
und 
Geschichte des Mädchenbildungswesens in Deutschland. 245 
‚aben die Reformatoren der Bildung der Frauen des Volkes ein 
sigenes Interesse geschenkt. Nur ein einziges Werk eines huma- 
1istischen Pädagogen hat die Mädchenerziehung eingehend behandelt 
and einen wirklichen Einfluß auf ihre Gestaltung erlangt, die Schrift 
des Spaniers Juan Luiz Vives: Institutio feminae christianae.'!) 
Sreilich setzt Vives bei seinen Plänen die Verhältnisse der Frauen 
vornehmen Standes voraus, und seine Vorschläge sind kaum für 
einen grossen Kreis von Frauen brauchbar. Aber seine Schrift ist 
arinzipiell für die Betrachtung der Mädchenbildung in doppelter 
Hinsicht bedeutungsvoll geworden. Einmal durch seine Bewertung 
ihrer Wichtigkeit. Er erkennt in einer vertieften Erziehung der 
Zrau das Mittel zur Regeneration der Gesellschaft; von platonischen 
ınd aristotelischen Staatsidealen ausgehend, sieht er einen unmittel- 
„aren Kausalzusammenhang zwischen der inneren Tüchtigkeit der Frau 
ınd der Wohlfahrt der Gesamtheit. Und dann verdankt ihm die 
Mädchenpädagogik, daß die intellektuelle Erziehung in ein neues 
Licht gerückt wurde. Gelehrte Bildung, zu der er die Kenntnis antiker 
Philosophen, wie Plato, Cicero und Seneca rechnet, ist ihm auch in 
der Mädchenerziehung das vornehmste Mittel, zu Ssittlicher Voll- 
kommenheit zu gelangen, und der ethische Zweck des Studiums 
steht ihm am höchsten. Andrerseits bleibt Vives mit seinem Frauen- 
ideal, zu dem strengste Zurückgezogenheit und Weltabgeschiedenheit 
zehören, noch ganz auf dem Boden der kirchlichen Didaktiker, des 
Hieronymus und des Vincentius von Beauvais, 
Die deutschen Humanisten haben sich zumeist darauf be- 
schränkt, gelegentlich zu mahnen, daß man die Mädchen zu allen weib- 
ichen Arbeiten gewöhne und sie von Müßiggang, Geschwätz und 
arotischer Lektüre fernhalte. 
Ein selbständiges Interesse hat, wie gesagt, die Mädchenschule 
arst für die Reformatoren. Der eigentliche Inhalt der Reformation, 
lie Selbständigkeit des sittlichen und intellektuellen Gewissens zur 
Geltung zu bringen, umfaßte die Forderung, daß jeder erwachsene 
Mensch, Mann oder Frau, fähig sei, durch eigenes Lesen sich die 
Kenntnis des reinen Glaubens zu erwerben. Außerdem führte die 
jeue Wertschätzung weltlicher Tüchtigkeit dahin, die Bildung des 
Volkes auch nach dieser Richtung hin zu vertiefen und zu erweitern. 
Der Frauenbildung kam insbesondere die Hochschätzung Luthers für 
lie Frau als Hausherrin und als Mutter ihrer Kinder zu statten, Und 
tscher 
ct es- 
LI) Wychgram: Juan Luiz Vives’ Schriften über weibliche Bildung. Wien 1883.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.