Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Das Mädchenschulwesen. 
ebenso wichtig wie diese neue Einschätzung einer praktischen 
Bildung der Mädchen ist der Umstand, daß die Reformation die 
öffentlichen Gewalten, die Magistrate und staatlichen Behörden, mehr 
und mehr für die Förderung des Schulwesens gewann. 
Freilich hatte die Reformation auf dem Gebiete der Mädchen- 
schule auch manches zerstört, nicht nur unmittelbar durch die Auf- 
hebung der Klöster, sondern auch dadurch, daß die dort geleistete 
Erziehungsarbeit in Mißachtung geriet, während man doch noch nicht 
überall imstande war, einen Ersatz dafür zu schaffen. Deshalb hatte 
z. B. Luthers Freund, der Reformator Johannes Bugenhagen, 
geraten, man möge mit der Besserung der Mädchenbildung bei den 
noch bestehenden Frauenklöstern anknüpfen. Die mecklenburgische 
1552) und pommersche Kirchenordnung (1563) gestatteten den Jung- 
frauenklöstern die Fortsetzung ihrer Erziehungsarbeit unter der Be- 
dingung, daß sie sie nicht in den Dienst klösterlicher Werkheiligkeit 
stellten. Was die Reformation für die Mädchenbildung getan hat, 
ist weniger in der pädagogischen Literatur, die sie hervorbrachte, zu 
finden, als in ihrem praktischen Eintreten für die Einrichtung von 
Schulen und für eine ihrem häuslichen Beruf angemessene Unter- 
weisung der Mädchen aller Volksklassen.!) Neben Luther selbst 
wandte vor allem Bugenhagen den Jungfrauenschulen seine besondere 
Sorge zu. Von den reformatorischen Schulordnungen verlangen an- 
nähernd 40 die Einrichtung von Unterrichtsanstalten, in denen die 
Mädchen, sei es mit den Knaben gemeinsam, sei es allein, in den 
Elementen des Lesens und Schreibens und der kirchlichen Glaubens- 
lehre unterwiesen werden. Meist freilich beschränkte man diese 
Forderung auf die Städte. Mädchenunterricht auf den Dörfern einzu- 
führen, wurde damals, und wohl mit Recht, als eine für den Anfang 
zu schwierige Aufgabe betrachtet. Hat es doch bis ins 19. Jahr- 
hundert hinein gedauert, bis durchgehend auf dem Lande eine 
Unterweisung der Mädchen für nötig gehalten wurde. Auch das 
Schreiben wird neben dem Lesen nicht überall verlangt, Rechnen 
nur selten, Handarbeiten zuweilen, Die Dauer der Schulpflicht be- 
trägt etwa ein oder zwei Jahre, jedenfalls behält die Schule die 
Mädchen nicht über das 12. Lebensjahr hinaus: während dieser Zeit 
1) Quellen dafür sind die evangelischen Kirchen- und Schulordnungen, Visitations- 
berichte usw. Die evangelischen Schulordnungen des 16. Jahrhunderts sind, soweit sie 
oekannt sind, verzeichnet bei Georg Mertz: Das Schulwesen der deutschen Reforma- 
ion im 16. Jahrhundert, Heidelberg 1902. Abgedruckt sind die meisten in den älteren 
Sammlungen von Richter und Vormbaum, L Ba.
	        
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