306 Das Mädchenschulwesen.
Frauenbildungs- und Erwerbsvereine, die in den 60er Jahren hier
ınd da begründet wurden, erfaßten diesen Gedanken bald mehr von
seiner beruflichen und wirtschaftlichen Seite, bald mehr nach der
Richtung einer allgemeinen geistigen Hebung der Frau der unteren
Volksklassen. So entstanden in verschiedenen deutschen Staaten An-
stalten, in denen der nachschulpflichtigen weiblichen Jugend Gelegen-
jeit zur Erweiterung ihres Wissens und ihrer Kenntnisse nach dieser
der jener Richtung hin gegeben wurde. Meistens finden wir noch
zeine scharfe Trennung zwischen allgemeiner und beruflicher Fort-
bildung, sondern Unterrichtskurse, die gewissermaßen beides ver-
einigen, indem sie einerseits die Fächer allgemeiner Bildung umfassen,
andrerseits diese Fächer nach der Richtung bestimmter Berufsgebiete
etwas erweiterten, um die Mädchen auf diese Weise auch auszurüsten,
den einfachsten und nächstliegenden Anforderungen irgend einer
beruflichen Tätigkeit zu genügen. Eine eigentliche Fachbildung im
modernen Sinne war das natürlich noch nicht. Auch die hauswirt-
schaftliche Bildung wurde in den Kreis dieser Fortbildung hinein-
zezogen, da man sah, daß angesichts der modernen Verhältnisse,
die die Arbeiterfrau vielfach dazu zwangen, den häuslichen Anforde-
rungen mit einem Minimum an Zeit zu genügen, diese gründliche
hauswirtschaftliche Durchbildung im Interesse der Volksgesundheit
und der Erhaltung des Familienlebens lag. So verbanden sich mit
diesen Fortbildungskursen hier und da Kochkurse, die meist Fabrik-
arbeiterinnen in den Abendstunden die Möglichkeit zur Erlernung
primitiver hauswirtschaftlicher Kenntnisse gaben.
Die fortschreitende Entwicklung differenzierte die Fragen und
die Aufgaben, die bis dahin noch durch eine einzelne Art von An-
stalten befriedigt wurden. Was zunächst die Fortbildungsschule an-
betrifft, so stellte sich die Notwendigkeit heraus, die Frau im Ver-
hältnis zu dem schon sehr entwickelten Fachunterrichtswesen für
junge Leute beruflich gründlicher und strenger auszubilden. Die
allgemeine Fortbildung genügte nicht, um den Frauen die notwendigen
technischen Kenntnisse zu geben, die sie zur vollen Erfüllung eines
kaufmännischen oder gewerblichen Berufes befähigten; die Notwendig-
keit einer gründlichen Fachbildung, die höhere Anforderungen stellte
und auch nur durch bestimmte Fachbildungsanstalten gegeben werden
Konnte, wurde immer dringender, je mehr die Frau durch ihre
minderwertige Vorbildung im Konkurrenzkampfe auf dem Arbeits-
markte unterlag. So entwickelte sich außerhalb der Volksschule
zuerst aus der privaten Initiative der Vereine und auch wohl einzelner