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Nas Mädchenschulwesen.
Gestaltung dieses Unterrichts ist hier zum ersten Male mit gutem
Erfolge erprobt worden. Das preußische Unterrichtsministerium hat
Jurch verschiedene Erlasse, vom 9. März 1894, vom 10. Februar 1895,
seine Stellung zu der ganzen Frage angedeutet. Seiner Auffassung
aach gehört der hauswirtschaftliche Unterricht allerdings in eine obli-
gatorische Fortbildungsschule, aber es wird bei dem gegenwärtigen
Stand der Dinge trotz dieses prinzipiellen Standpunktes die KEin-
führung des hauswirtschaftlichen Unterrichts in die erste Klasse der
Volksmädchenschule genehmigt unter der Bedingung, daß die andern
Unterrichtsfächer dadurch keine Verkürzung erlitten. Danach also
sedeutete die Einführung des hauswirtschaftlichen und Kochunter-
-ichts allerdings eine nicht unerhebliche Mehrbelastung der Mädchen,
die so wie so schon durch den Handarbeitsunterricht inbezug auf die
Unterrichtszeit zuweilen stärker in Anspruch genommen waren als die
Knaben. Der hauswirtschaftliche und Kochunterricht ist in den-
‚enigen Staaten, die keine obligatorische Fortbildungsschule haben, in
Preußen, Sachsen, Anhalt, denn auch, besonders in großen Städten,
in die Volksschule mehr und mehr eingeführt worden. Damit stellte
sich die. Notwendigkeit heraus, die Lehrerinnen in bestimmter Weise
ür diesen neuen Unterrichtszweig auszubilden. Mit dieser Ausbildung
begann man von privater Seite im Pestalozzi-Fröbelhaus zu Berlin,
zwei Jahre später in Cassel und an verschiedenen anderen Orten.
Im Jahre 1902 war die Entwicklung des ganzen hauswirtschaftlichen
Unterrichtswesens in Preußen soweit gediehen, daß man nun eine
Prüfungsordnung für Lehrerinnen der Hauswirtschaft aufstellen konnte.
‘Die Hauptbestimmungen dieser Prüfungsordnung siehe im IL Abschnitt.)
In Württemberg und in Baden ist im Anschluß an die alten
Traditionen die Fortbildungsschule auch für Mädchen obligatorisch
yemacht worden. Über die Art des Unterrichts im einzelnen wird
im zweiten Abschnitte dieser Darstellung berichtet werden. InBaden hat
man die Frage des hauswirtschaftlichen Unterrichts mit der der Fort-
bildungsschule insofern gemeinsam gelöst, als die Fortbildungsschulen
für Mädchen seit dem Jahre 1891 als eigentliche hauswirtschaft-
iche Schulen geführt werden dürfen, eine Umgestaltung, die auch
aahezu überall durchgeführt ist. Dadurch, daß mit der Unter-
weisung im praktischen Kochen theoretischer Unterricht in der
Nahrungsmittellehre sowie in jeder Art häuslicher Buchführung und
Korrespondenz erteilt wird, erfüllt diese Schule gleichzeitig ihren be-
sonderen praktischen wie ihren allgemeinen theoretischen Zweck. In
Württemberg hat man jedoch an den allgemeinen Aufgaben der