Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

28 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland. 
noch länger im 19. Jahrhundert beibehalten, und war die Lehrver- 
:assung der höheren Schulen in Bayern von dem alten Portenser 
Friedrich Thiersch nach denselben humanistischen Grundsätzen reor- 
ganisiert worden, wobei die ehemals im Lande maßgebend gewesene 
Studienordnung der Jesuiten Unterstützung gewährte. 
In Übereinstimmung mit dem eine Gesamtbildung anstrebenden 
Lehrziel erhob die älteste allgemeine Lehramts-Prüfungsordnung in 
Preußen, die von 1810, die grundsätzliche Forderung, daß jeder 
Schulamtskandidat in allen Fächern des Gymnasialunterrichts Bescheid 
wissen müsse. In dem ergänzenden Erlaß von 1831 werden besondere 
Fächergruppen für den Erwerb der Lehrbefähigung gebildet, die Zu- 
erkennung einer unbedingten facultas docendi bleibt aber nach wie 
vor von einem genügenden Prüfungsausweis auch über die übrigen 
Lehrgegenstände abhängig. Mit der zunehmenden Steigerung der 
Ansprüche an das Wissen des Kandidaten in seinen besonderen Un- 
terrichtsfächern ermäßigte man in den späteren Prüfungsordnungen 
diejenigen an sein Gesamtwissen, hielt aber doch an dem Grundsatze 
beständig fest, daß der ausschließliche Nachweis über die erworbene 
Fachausbildung für die Aufgaben des Lehrers an einer höheren Schule 
nicht ausreiche. Die Prüfungsordnung von 1867 umfaßte unter der 
Bezeichnung der Allgemeinen Bildung, die bei jedem Kandidaten zu 
ermitteln war, Religionslehre, Philosophie, Geschichte, Geographie, 
Deutsch und die drei Fremdsprachen. Sie nahm also, abweichend 
von dem bisherigen Verfahren, von Mathematik hierbei Abstand, ge- 
währte dagegen eine Lehrbefähigung in der Mathematik und Physik 
nur bei Darlegung der allgemeinen Bildung in Chemie und beschrei- 
enden Naturwissenschaften. In der Prüfungsordnung von 1887 ver- 
schwand der Ausdruck Allgemeine Bildung wieder für den allge- 
meinen Teil der Prüfung und blieb inhaltlich nur Philosophie und 
Pädagogik, deutsche Sprache und Literatur und christliche Religions- 
lehre davon übrig. Dabei hat es nun auch in der jetzt geltenden 
Prüfungsordnung von 1898 sein Bewenden behalten, nur daß kurzweg 
deutsche Literatur für Sprache und Literatur gesetzt worden ist. 
Es hat in Preußen von jeher immer nur eine und die nämliche 
Prüfungsordnung für alle Bewerber um das höhere Lehramt gegeben. 
Besondere Prüfungen nach einer Teilung der Kandidaten in künftige 
Gymnasial- und Realschullehrer sind stets ausgeschlossen geblieben. 
Jede höhere Schule, die Realschule so gut wie das Gymnasium, ist 
von der preußischen Unterrichtsverwaltung in erster Linie immer als 
allgemeine Bildungsanstalt angesehen worden, und daher hielt man 
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