46 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland,
Widerspruch, und auch an den leitenden Stellen erblickte man in dem
aun Bestehenden noch keinen Abschluß auf längere Dauer.
Am meisten befriedigt von den 1892er Lehrplänen konnten der
1886 begründete Einheitsschulverein und seine Anhänger sein.
Das Gymnasium hatte seine Vorrechte behalten und sich neuzeitlich
verjüngt. Die Realgymnasien waren mit der Herabsetzung des
Latein zu einem Nebenfach in ihrem Wettbewerb um Gleichberech-
:igung weit zurückgedrängt worden; den lateinlosen Realschulen
stand ein kräftiges Wachstum in sicherer Aussicht. So durfte denn
der Verein seine Aufgabe im wesentlichen als erfüllt ansehen und
löste sich noch im Jahre 1891, als die Entscheidungen über das
Neue schon feststanden, auf.
Die altgymnasiale Partei empfand die Wendung der Dinge
als eine schwere Niederlage. Um einer weiter fortschreitenden Ab-
wandelung des Altgymnasiums Einhalt zu tun und das Verlorene
wiederzugewinnen, bildete sich noch während der Tagung der De-
zemberkonferenz der „Gymnasialverein“ und schuf sich im „Huma-
aistischen Gymnasium‘‘ sein von Direktor Uhlig herausgegebenes
Vereinsorgan. Außer sonstigen Gesinnungsgenossen stand die große
Mehrzahl der Altphilologen zum Gymnasialverein. Die sie beherr-
schende Stimmung fand ihren bezeichnendsten Ausdruck in Direktor
Oskar Jägers der 29. Versammlung Rheinischer Schulmänner in Cöln
1892 zugerufenem: „Pugyna magna viclt sumns, Quirites!“ Nicht alle
jedoch, die mit ihm so dachten, hätten wie er sogleich hinzuzufügen
vermocht: „Nun, meine Herren, man kann sehr pessimistisch in der
Beurteilung der Dinge sein, aber wo es ums Handeln gilt, da ist nur
die optimistische Anschauung am Platze.“
Unleugbar bestand zwischen den Lehrplänen von 1892 und der
mit ihnen zugleich veröffentlichten Reifeprüfungsordnung ein Miß-
verhältnis im Lateinischen. Jene begründeten den ganzen Unterricht
auf die Lektüre und betonten das Übersetzen ins Deutsche, und
diese forderte als einzige schriftliche Prüfungsaufgabe eine Über-
setzung ins Lateinische. Wieviel folgerichtiger wäre es gewesen, in
der Prüfung entweder ebenfalls eine Übersetzung ins Deutsche zu
verlangen, oder eine lateinische Inhaltsangabe über Gelesenes, wie
solche als regelmäßige Klassenarbeiten für die Oberstufe vor-
geschrieben waren. Die Hinübersetzungen hätten dann freilich auch
in der Klasse den Inhaltsangaben weichen müssen. Herübersetzungen,
Hinübersetzungen und Inhaltsangaben nebeneinander, und alles dreies
wieder neben der Lektüre her, das ließ sich nicht in den sechs