48 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland.
mit Worten geführt werden mußte, deren viele gewechselt worden
sind, in diesem es hierin aber sehr viel stiller wurde, und statt dessen
die Erprobung neuer Gestaltungen in den Vordergrund trat.
Es betrifft dies namentlich die Reformanstalten des älteren
realgymnasialen Altonaer und des jüngeren gymnasialen und real-
gymnasialen Frankfurter Systems, deren Eigenart darin besteht, daß
der Lehrgang in den Klassen VI—IV dem einer Realschule folgt,
von da ab Realgymnasium oder Gymnasium von der Realschule sich
scheidet und jenes das Englische meist, dieses das Griechische immer
erst in UI beginnt.
Im Jahre 1899 belief sich die Zahl der Reformanstalten in
Deutschland auf 32, wovon 11 dem Altonaer, 21 dem Frankfurter
5ystem angehörten.
Für Ostern 1901 stand die erste Reifeprüfung auf den beiden
Frankfurter Reformanstalten, dem Goethe-Gymnasium und der
Musterschule, bevor. Schon nach der Versetzung Ostern 1900
eß sich ein günstiges Ergebnis erwarten, dem hernach die Tatsachen
auch entsprochen haben.
Man hatte Grund zu der Annahme, daß die Erfahrungen in
Frankfurt am Main von größter Bedeutung für die weiteren Ent-
schließungen an höchster Stelle sein würden. Auf der Dezember-
<onferenz war das Kriegsministerium mit seinem Vorschlag einer für
alle höheren Schulen gemeinsamen Unterstufe ohne Latein nicht
durchgedrungen. Die drei Arten der Vollanstalten, Gymnasium,
Realgymnasium und ÖOberrealschule, blieben in ihrer alten Grund-
verfassung nebeneinander bestehen, die Vorherrschaft des Gymna-
siums wurde durch Anpassung an die neuzeitlichen Forderungen und
durch die Schmälerung des Realgymnasiums noch einmal gerettet.
Was als allgemein einzuführende Einrichtung auf zu großen Wider-
stand gestoßen war, die lateinlose Unterstufe der Gymnasien und
Realgymnasien, das sollte dafür an allen einzelnen Stellen, die es
wünschten und dafür sich eigneten, auf seinen Wert erprobt und
weitererprobt werden. Und dies vollzog sich nun in zunehmender
Ausdehnung und mit unbestreitbaren Unterrichtserfolgen.
Mit steigender Besorgnis verfolgten die Freunde des Alt-
zymnasiums, mit freudiger Hoffnung die Anhänger der Schulreform
diesen Gang der Dinge.
Als nun im Frühjahr 1900 der Zusammentritt einer neuen
Schulkonferenz bevorstand, veranstalteten beide Parteien eine öffent-
liche Kraftprobe. Eine in Berlin abgehaltene Versammlung der