Full text: Die Durchführung der preußischen Schulreform in ganz Deutschland

machen nicht mit. Und der Unterrichtsminister hat gesagt: Ja, mit Bezug 
anf die Jurisprudenz überlasse ich die Antwort meinem Kollegen von der 
Justiz. Das war außerordentlich bequem; das ist ihm auch entgeg nge— 
halten worden. 
Als der Unlerrichtsminister auf Sachsen verwiesen wurde, wo sein Kollege 
doch so tapfer für die Reform eingetreten sei, antwortete er: Das ist etwas 
ganz anderes, Sachsen hat auch 12 Realgymnasien gegen 18 Gymnasieu, und 
wir haben bloß 4 Realgymnasien gegen 45 Gymnasien. Ja, meine Herren, 
erst errichet man in Bayern Realgymnasien mit Berechtigung hauptsächlich für 
das Polytechnikum, zunächst 5 an der Zahl. Man verspricht, daß den 
Gymnasien diese Berechtigung genommen werden soll. Nachher hält man das 
nicht, sondern läßt den Gymnasien alle Berechtigungen; man tut noch mehr: 
man stellt diese Realgymnasien nicht auf eigene Füße, indem man ihnen keinen 
eigenen Unterbau gibt, endlich läßt man das eine Realgymnasium eingehen, 
so daß man schließlich auf 4 zurückgekommen ist; neue entstehen wegen 
mangelnder Berechtigung natürlich nicht, und wenn die bestehenden durch 
das Gymnasialmonopol verkümmern, sagt man: Wozu ihnen mehr Berechtigung 
geben; sie sind ja nicht lebensfähig! Meine Herren, es ist recht schwer, einem 
solchen Verfahren gegenüber nicht ein unparlamentarisches Wort der Entrüstung 
zu gebrauchen! 
Der Unterrichtsminister hat sonst gar keine Gründe gegen die Reform. 
Der Justizminister aber nun, der führt die ganze Reihe von Gutachten von 
juristischen Professoren und juristischen Verwaltungsbeamten an, die damals in 
der „Deutschen Juristen-Zeitung“ standen bei Gelegenheit des Adickesschen 
Antrags, ohne zu bedenken, daß dieselben ganz veraltet sind, daß sie bloß 
darüber urteilen wollten, ob die Jurisprudenz überhaupt freigegeben werden 
solle in einem einzigen Staat, daß die Gutachter gar nicht vor die 
Frage gestellt waren: Soll den bayerischen Realgymnasien die Jurisprudenz, 
nachdem sie in so vielen anderen Bundesstaaten den Realgymnasien freigegeben 
worden ist, auch freigegeben werden? Er macht seine Zuhörer gruselig, indem 
er sagt: „Ich glaube, wir haben es hier mit einer grundstürzenden Bewegung 
zu tun.“ 
Dann aber führt er an, daß der Kultusminister auf seinen Wunsch die 
juristischen Fakultäten gefragt habe. Und welches ist das Resultat? München 
ttimmt dagegen, Erlangen dafür und Würzburg hat noch nicht geantwortet. Also, 
meine Herren, die Universitätsgutachten verschlagen auch nicht. 
Aber nun kommen die Gründe, oder vielmehr der einzige Grund, und 
Sie werden sehen, es ist immer derselbe, dessen Unhaltbarkeit ich vor 2 Jahren 
Gelegenheit gehabt habe nachzuweisen. „Darauf kommt es nicht an,“ sagt der 
bayerische Justizminister, ,ob derJurist neuere Sprachen braucht, ob er einen Einblick in 
die Technik hat, sondern darauf: Welche Vorbildung ist so universell 
gestaltet, daß sie dem Juristen gestattet, sich in jedem Fache, 
auch wenn er sich nicht speziell damit befaßt hat, leidlich 
zu recht zu finden? — und das ist nur die Vorbildung durch 
das Gymnasium.“ Also immer diieselbe kritiklose Überschätzung des
	        
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