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Spezieller Teil.
Besteht die Möglichkeit einer therapeutischen Verwen-
dung der Abwehrfermente ?
Diese Frage tauchte auf, als beobachtet wurde, daß sich
Abwehrfermente von Tier zu Tier und vom Menschen auf das
Tier übertragen lassen. Spritzt man z. B. einem Kaninchen
Serum einer Schwangeren oder von einem Karzinomträger
ein, dann erscheinen im Serum bzw. Harn die entsprechenden
Fermente!). Man kann nach neueren Erfahrungen?) auch
einen Auszug (mit 0,9 %iger Kochsalzlösung oder Glyzerin)
aus Trockenserum oder aus dem Azetonharnniederschlag zur
Fermentübertragung verwenden. Interessanterweise beob-
achtet man nicht selten, daß die Abwehrfermentwirkung
verstärkt in Erscheinung tritt. Vielleicht hängt das damit
zusammen, daß möglicherweise mit der Zeit hemmende Stoffe
auftreten, wenn Abwehrfermente kreisen. Im Blute des Or-
ganismus, dem die Fermente parenteral zugeführt werden,
sind diese vielleicht noch nicht zugegen. Es ist nun
denkbar, daß man das Bestreben des Organismus
blutfremdes Material möglichst rasch aus dem Körper
zu entfernen, durch Zufuhr der entsprechenden
Fermente unterstützen kann.
Zunächst wurde daran gedacht, bei Karzinomträgern
entsprechende Versuche anzustellen®). Durch par-
enterale Zufuhr von Krebssubstrat wurde bei Kaninchen,
Hunden und später Pferden die Bildung entsprechender
Abwehrfermente bewirkt!). Dann wurde den Versuchs-
tieren, nachdem festgestellt war, daß Abwehrproteinasen
1) Emil Abderhalden u. L. Grigorescu, Med. Klin, 1914,
Nr. 17. — A. E.. Lampe, Dtsch. med. Wschr. 1914, Nr. 24.
?) Noch nicht veröffentlichte Versuche.
*) Versuche an Tumormäusen waren günstig ausgefallen, jedoch war
die Zahl der Versuche viel zu gering. Bestimmte tierische Geschwülste
neigen bekanntlich zur Selbstheilung. Vgl. Emil Abderhalden, Med.
Klin. 1914, Nr. 5.
4) Emil Abderhalden, Fermentforschg ı, 99 (1916).