Full text: Deutsche Baumeister

säumten Marktplätze, Hauptstraßen, die von Tor zu Tor führten, 
Flußläufe und Baublocks mit fester Randbebauung, die von schma- 
len Wohnstraßen aufgeschlossen wurden. In diesem Stadium spürt 
man deutlich ein städtebauliches Vorherbestimmen, eine Ordnung, 
die ebensowohl das Nützliche wie das Schöne im Auge hatte. Die 
Hauptstraßen wurden in ihren Führungen und Abmessungen von 
den Gemeinden bestimmt, wogegen die Geländeerschließung wohl 
beaufsichtigt wurde, sonst aber der privaten Initiative überlassen 
blieb. Was heute in den Stadtgrundrissen noch ornamental wirkt: 
das klare Rund des Stadtkerns, die bewußt eindrucksvolle Führung 
der Straßen, die gute Anordnung der Kirchen und Repräsentations- 
gebäude, das geht zu großen Teilen auf mittelalterliche Stadtbau- 
gesinnung zurück, Groß ist die Mannigfaltigkeit der Hausformen. 
Da sind Holzhäuser; Fachwerkhäuser mit schön geschnitztem Ge- 
bälk und Patrizierhäuser mit steinernem Zierrat. Bevorzugt wirddie 
hohe schmale Fassade mit betontem Giebel, die dem gotischen Steil- 
drang entspricht, aber auch der uralten Fluraufteilung folgt. Die 
Rathäuser mit Bürgersaal, Gerichtssaal oder Festsaal sind repräsen- 
tativ hervorgehoben; sie liegen am Marktplatz und vor dem Portal 
wacht oft ein gewappneter Roland über die Marktgerechtsame. 
Manches Rathaus dieser Art ist erhalten; es sind kleine Wunder- 
werke bürgerlicher Baukunst darunter. Alles Einzelne aber wirdzum 
Glied einer Ordnung. Die Einheitlichkeit des Formempfindens, bis 
zum kleinsten kunstgewerblichen Gegenstand, ist vollkommen. Es 
genügt die Betrachtung der zierlich schönen Brunnen jener Zeit mit 
krönender, segnender Maria, um zu erkennen, in welcher Weise die 
Formenwelt der Gotik schlechterdings alles umfaßte und alles sym- 
bolisch erscheinen ließ. Alles wuchs aus einer einzigen Wurzel: das 
Heilige und Profane, das Nützliche und Schöne. Niemals war 
Deutschland im Künstlerischen vielfältiger in der Einheit. 
Die Baumeister dieses gotischen Gesamtkunstwerkes waren nicht 
mehr Geistliche, nicht Angehörige von Orden und Klöstern, son- 
dern Bürger, denen das Bauen nun ein Beruf geworden war. Auch 
Da
	        
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